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Flüchtlingshilfe bis zum Winken

■ Flüchtlingshilfe in Bremen, zweiter Teil: Die letzte Instanz – die Gruppe grenzenlos ist da, wenn nichts mehr geht und hilft im Abschiebeknast

Am Ende einer langen Kette steht sie: Ghislaine Valter, konsequenteste und dienstälteste Streiterin von grenzenlos, der Flüchtlingshilfsorganisation im Abschiebeknast.

Wie oft Valter hinter den Glasbausteinen des Polizeigewahrsams im ersten Stock des Polizeipräsidiums das Schlimmste verhindert hat, weiß keiner. Bekannt ist aber: Je schwieriger der Fall, desto lauter der Ruf nach der ehrenamtlichen Betreuerin mit dem inneren Alarmsystem, dessen schrilles Klingeln manche Mitstreiter und GegnerInnen schon hat verzweifeln lassen. Valter hält es wach.

Nachts, morgens oder mittags – die telefonischen Hilfegesuche kommen sowieso zu jeder Zeit. Oft flitzt sie dann los in die Vahr. Manchmal alarmiert sie dann Politiker, Ärzte oder die Presse. Wenn die Sache fortgeschritten ist, muss sie direkt zum Flughafen – auch wenn sie da höchstens noch trösten kann. Oder beruhigen. Und mitleiden.

Die ehrenamtliche Abschiebeknastbetreuerin sieht sich zwar als politische Agitatorin – gegen den Knast an sich, denn als Trösterin oder Sachensucherin – aber sie weiß, dass die politische Arbeit, der Kampf für menschenwürdige Behandlung und ein Minimum an Rechten auch im Knast sich auch an den Bedürfnissen der Menschen dort drinnen orientieren muss. Und also sucht sie für gestrandete Seelen Unterkünfte, berät verzweifelte Angehörige, treibt Pullover auf für frierende Russen, organisiert mildtätige Rechtsanwälte für geschundene Prostituierte und kocht im Zweifelsfall auch Couscous – an Weihnachten für die Eingesperrten aus aller Welt. Nicht, ohne vorher noch Gutwillige zum Rotwein in die eigene Küche zu locken – und natürlich zum Geld spenden.

Auf manches Gespräch oder manche Telefonkarte hin hat Gigi Valter später Dankes-Postkarten bekommen. Leider auch Nachrichten von Familienangehörigen Abgeschobener. „Üslü muss jetzt in den türkischen Bergen gegen Kurden kämpfen. Das hat mir sein Bruder geschrieben. Dabei sind sie selbst Kurden – aber er ist vom Flugzeug weg ins Militär gezogen worden“, sagt fast grimmig die 51-jährige Französin, die die Gefangenen „Frau Gigi“ nennen. In einer Mischung aus Respekt, Hilflosigkeit und Dankbarkeit. Keiner von ihnen weiß, dass „Frau Gigi“ alle politischen Strippen zieht, um zu verhindern, dass sie überhaupt im Knast sitzen.

Verein ökumenischer Ausländerarbeit in Bremen, Stichwort „grenzenlos“, die Sparkasse in Bremen BLZ 290 501 01, Konto: 11 83 05 85.

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