Flüchtlingscamps in Frankreich: Polizei räumt Zeltstädte in Paris
Wieder werden Camps geräumt. Die Regierung wolle so Härte gegenüber Flüchtlingen zeigen, sagt Flüchtlingshelfer Yann Manzi.
Die Flüchtlinge waren in Bussen weggebracht worden, begleitet von 600 Polizisten. Polizeipräfekt Didier Lallement warnte die Menschen aus Afghanistan, Somalia, dem Sudan, Eritrea und anderen afrikanischen Staaten davor, ihre Lager wieder unter der Brücke aufzuschlagen. „Wir werden das Gelände halten und mit zahlreichen Patrouillen überwachen“, kündigte er an, als handele es sich um einen Armeeeinsatz.
„Die Räumung soll zeigen, dass die Regierung hart gegenüber den Flüchtlingen ist“, sagt Yann Manzi von der Hilfsorganisation Utopia 56 der taz. Nicht zufällig sei die Aktion einen Tag nach Ankündigung einer neuen, harten Linie in der Flüchtlingspolitik erfolgt. So sollen Asylbewerber erst drei Monate nach ihrem Antrag zum Arzt gehen können. Nach Ablehnung ihres Antrags gilt die Krankenversicherung für sie nur noch sechs statt wie bisher zwölf Monate. Die Regierung will so einen „Behandlungstourismus“ bekämpfen.
„Wir müssen die Kontrolle über unsere Einwanderungspolitik zurückgewinnen“, hatte Premierminister Edouard Philippe angekündigt und gleichzeitig 16.000 Unterkünfte versprochen. Die sollen nicht nur für die Flüchtlinge in Paris geschaffen werden, sondern auch für die entlang der Kanalküste, die auf eine heimliche Überfahrt nach Großbritannien hoffen.
Die 59. Räumung seit Sommer 2015
Das Flüchtlingslager in der Hafenstadt Calais, rund 40 Kilometer Luftlinie vom englischen Dover entfernt, wurde 2016 geräumt. Seither verhindert die Polizei teils mit drastischen Mitteln, dass sich wieder Camps rund um die 70.000-Einwohner-Stadt bilden. So werden die Zelte der Flüchtlinge zerstört und ihre Schlafsäcke verbrannt. „Die Flüchtlinge in Paris werden in Zukunft genauso bedrängt werden wie in Calais. Man wird ihre Zelte hier ebenfalls kaputt machen“, befürchtet Manzi. „Ziel ist es, die Flüchtlinge unsichtbar zu machen, um in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, das Problem sei gelöst.“
In Wirklichkeit besteht das Problem der Unterbringung der Flüchtlinge seit Jahrzehnten. Im Norden von Paris, der Stadt mit den meisten Touristen weltweit, hausen die Menschen aus Afrika oder Afghanistan zu Hunderten neben ein paar Dixi-Klos. Zum Waschen müssen sie eine der öffentlichen Duschen der Hauptstadt aufsuchen. Versorgt werden sie von Hilfsorganisationen, der Stadtverwaltung oder von Nachbarn.
Die Räumung am Donnerstag war die 59. seit dem Sommer 2015. „Diese kurzfristigen Antworten, die in aller Dringlichkeit erfolgen, können nicht ausreichen“, kritisierte die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo auf Twitter. Die Sozialistin hatte 2016 eine Erstaufnahmeeinrichtung an der Porte de la Chapelle geschaffen, die allerdings nur für zwei Jahre geplant war und deshalb im vergangenen Jahr geschlossen wurde.
Seither landen die Flüchtlinge direkt in Aufnahmezentren, wo ihre Identität festgestellt wird. Bei den meisten handelt es sich um „Dubliner“ – also um Flüchtlinge, die irgendwo in Europa bereits erfasst wurden. Ihnen droht die Abschiebung, denn nach den Regeln der Dublin-Vereinbarung ist dasjenige Land für die Bearbeitung von Asylanträgen zuständig, in dem Geflüchtete zuerst europäischen Boden betreten haben.
Helfer fürchten „systematische Menschenjagd“
Utopia 59, 2015 von Yann Manzi nach dem Tod des Flüchtlingskinds Alan Kurdi gegründet, sorgt sich um das weitere Schicksal der 1.600 Flüchtlinge, die am Donnerstag abtransportiert wurden. „Wie sollen wir sicherstellen, dass die Menschen, wenn sie einmal in einer Turnhalle untergebracht sind, nicht in Abschiebehaft kommen?“, fragt die Organisation in einer Mitteilung.
Für diejenigen, die nicht in die Busse gestiegen sind, fürchten die Helfer eine „systematische Menschenjagd“. Polizeipräfekt Lallement kündigte bereits an, das Gelände an der Porte de la Chapelle rund um die Uhr überwachen zu lassen. „Wir haben das Ziel von null Rückkehrern.“
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