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Flucht geglückt

■ Erbaulich: „Frauke Petersen - Die heilige Johanna der Einbauküche“ mit Herma Koehn

„Dat is al komisch mit dat: Ich liebe Dich,“ sagt Frauke, 42, Hausfrau im Hamburger Umland, während sie die Eier in die Pfanne haut. Liebe! Nichts als eine Rechtfertigung des Gatten, seine Frau schlechter zu behandeln als Leute, die er nur ein bißchen oder überhaupt nicht mag. Frauke Schütt, geborene Petersen, weiß zwar nicht mehr, wann das taube Gefühl in ihrer Ehe eingesetzt hat, aber es ist nicht mehr zu leugnen. Mindestens so viel ist ihr in dem Haufen gemischter Gefühle klar, vor dem sie betrübt, aber trotzig bei einem Glas Wein in ihrer Einbauküche sitzt.

Die Ohnsorg-Schauspielerin Herma Koehn hat das Stück Shirley Valentine des Engländers Willy Russel für sich entdeckt, es ins Plattdeutsche übertragen und präsentiert es nun als Studioproduktion des Ohnsorg im Saal 1 des Winterhuder Fährhauses. Übrigens die letzte Produktion dieser Art des erfolgreichen Dramaturgen-Duetts Hartmut Czyriaks und Peter Nissen, die mit Ende der Spielzeit die Segel im Ohnsorg auf Wunsch des neuen Intendanten Thomas Bayer streichen.

„Es gibt ja wirklich nur sehr wenige großzügige Männer und viel zu viele Spießer“, meint eine ältere Bürgersfrau in der Pause des Monologs der Kleinbürgerin Frauke Petersen. Deren Gatte wird ja schon auf der Fehmarnbrücke seekrank, und „wenn ich nur fünf Minuten aufm Klo bin, denkt der schon, ich bin gekidnappt“, versucht sie ihrer Eingeschlossenheit komische Seiten abzuringen. Zerren anfangs noch, als sie im Kittel im Pril-Blümchen-Design, Jeans und Gesundheitslatschen durch ihr „Reich“ schlurft, Selbsthaß und Fluchtgedanken gleich stark an ihr, so wachsen ihre Träume später zum Entschluß. Griechenland ruft und Frauke P. wird kommen, sie wird auch gar nicht wieder nach Hause wollen, als sie endlich braungebrannt im Sonnenstuhl liegend ein Weinchen trinkt.

Handfest und schnörkellos - wie das Bühnenbild von Malte Marcks - ist auch Frauke Petersen, geduldig und großmütig, aber nicht blöd. Vielleicht etwas überrascht über ihren Mut, mit der Freundin in den Süden zu fahren, umschifft sie doch mitreißend die beunruhigenden Klippen des „Bibberns inner Büx“. Frauke P. wird dem Gatten keine Eier mehr braten. Doch keine Jean d'Arc im Geschlechterkampf zwar, aber eine 42jährige Frau, die sich Mißachtung nicht mehr bieten läßt. jk

Komödie Winterhuder Fährhaus, noch am 8., 10., 11., 15. und 16. März, 19.30 Uhr

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