: Flucht aus Kabul
■ Heftige Kämpfe um die afghanische Hauptstadt halten an
Kabul/Islamabad (AFP/taz) – Neu aufflackernde Gefechte machten gestern die Hoffnung Tausender BewohnerInnen Kabuls zunichte, sich durch Flucht aus der afghanischen Hauptstadt zu retten. Wenige Stunden nach dem Ende einer eintägigen Waffenruhe lieferten sich die rivalisierenden Mudschaheddingruppen vor allem im Stadtteil Microrayon, im Südosten Kabuls und in der Umgebung des Bala-Hisar-Forts wieder heftige Kämpfe.
Während der Feuerpause, die für die Zeit von Samstag bis Sonntag morgen vereinbart worden war, spielten sich am Busbahnhof von Kabul chaotische Szenen ab. Tausende wollten den blutigen Auseinandersetzungen zwischen den Regierungstruppen von Präsident Burhanuddin Rabbani und den seit kurzem verbündeten Einheiten des Fundamentalistenführers Gulbuddin Hekmatjar sowie des Usbeken-Generals Raschid Dostam entgehen.
Bei ihrer Ankunft in der Stadt Dschalalabad an der Grenze zu Pakistan schilderten Flüchtlinge den Fall einer Familie, die keinen Platz mehr in den überfüllten Bussen erhielt. Daraufhin habe die Mutter durch inständiges Bitten erreicht, daß ihr achtjähriger Sohn allein mitgenommen wurde. Mit den Worten: „Nehmt wenigstens mein Kind, setzt es irgendwo außerhalb von Kabul ab!“ überließ sie ihn einem ungewissen Schicksal. Der Junge wurde 20 Kilometer östlich von Kabul ausgesetzt.
Nach Schätzungen internationaler Hilfsorganisationen sind seit Ausbruch der jüngsten Kämpfe um Kabul mehrere hunderttausend Menschen aus der Stadt geflohen. In der afghanischen Stadt Jalalabad wurden Notaufnahmelager für die Flüchtlinge aus Kabul eingerichtet. Die Regierung in Islamabad befürchtet nach inoffiziellen Angaben, daß zahlreiche Menschen erneut nach Pakistan gehen werden. Die Gesamtzahl der Getöteten seit Jahresbeginn wurde von afghanischer Seite mit mehreren hundert angegeben. 65 ausländische Diplomaten, die während der Feuerpause aus Kabul abgezogen worden waren, trafen am Sonntag in der pakistanischen Grenzstadt Peschawar ein. 3.000 Afghanen gelang die Flucht nach Torkhman.
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