■ Vorlauf: Flirt mit Gallenblasen
„Die Sternbergs“, 19.25 Uhr, ZDF
Wo die Kamera im deutschen Fernsehen Großgrundbesitz, Mallorca oder Privatkliniken erspäht, da fängt sie an zu fliegen. Im Anflug auf die neue ZDF-Serie „Sternbergs“ umkreist sie das Gelände in der Mark Brandenburg, das den meisten Patienten den Glauben an das Gesundheitssystem und dazu einen Flirt mit der höheren Kaste im weißen Kittel bescheren soll. Den Bypasslegern selbst wird der herrschaftliche Bau nicht nur zur heiligen Wirkungsstätte, sondern in der Regel auch zur Charakterschule, in der sie durch die Berührung mit dem Wundeiter des Fußvolkes schnell zur Bodenhaftung zurück finden sollen.
Die TV-Klinik als gegenseitiges gesellschaftliches Korrektiv, damit der Laden läuft. Diesmal im Osten der Republik angesiedelt, soll die Serie – wenn auch recht spät – den neueren Bundesbürgern den Segen privatwirtschaftlicher Gesundheitsversorgung zuteil werden lassen. Palastrevolten sind nicht zu erwarten, liegt hier wie in allen Krankenhausserien doch die seltene Situation vor, dass das Personal im Reich das Sagen hat.
Den „Sternbergs“ geht es bei aller Heilkraft jedoch vor allem um sich selbst. Entsprechend ist ihr Gegockel und Gekeife um Frau und Gut scheinbar brisanter als jede Gefäßchirurgie. Da gibt es den alten Chef und Gottvater, der sich mit 70 Jahren nun endlich aus dem Geschäft zurückziehen will, um seine rheumatische Chirurgenhand auf fiebernde Kindergesichter in Brasilien zu legen. Sein einer Sohn Max, ein indienerfahrener Müslimann, kuriert Gallensteine mit Algenschleim. Der andere, Fabian, ein karrieristischer Schulmediziner, ließe seinem Bruder eher eine linkslaterale Rippenserienfraktur zukommen, als die Klinik mit ihm zu teilen.
Eine stabile Seitenlage vor der Glotze mag helfen, um deren Hahnenkämpfe, geschwisterliche Frotzeleien und kesse Diagnosen („Die Öffnung der Gallenblase verhält sich zur Größe der Steine wie das böse Funkeln in Ihren schönen, großen Augen zu Ihrem hübschen Gesicht“) zu verfolgen. Birgit Glombitza
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