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Fliegender Torwart als Einerkette

Am Pfingstwochenende treffen sich 24 Tresenmannschaften, um in Berlin die 16. Deutsche Fußball-Alternativmeisterschaft auszutragen. Auch die Kämpfer von „Rote Beete“ aus Hamburg sind mit dabei – vor allem, weil sie so witzig sind

Schiedsrichter sind ebenso verpönt wie Spielerpässe und Funktionäre

von SILKE SCHLICHTING

Die Roten Beete haben ihre Taktik für den diesjährigen Auftritt bei der Deutschen Fußball-Alternativmeisterschaft (DAM) völlig umgestellt: Sie werden mit fliegendem Torwart als Einerkette spielen. „Dadurch können wir mit acht Leuten im zentralen Mittelfeld antreten, bei Ballbesitz explodieren wie ein Schwarm angepisster Hornissen, und bevor die anderen wissen, was Sache ist, machen wir die Kirsche rein“, erläutern sie das Konzept in ihrem Bewerbungsschreiben. Die DAM – Meisterschaften der Hümörbömben.

Mittlerweile zum vierten Mal haben sich die Roten Beete erfolgreich für die Teilnahme an der DAM beworben. Denn dafür ist kein fußballerisches Können, sondern Kreativität gefragt. „Wir haben eine alte Turnhose, die am Hintern total durchgewetzt war, mit rote Beete drin und einem witzigen Anschreiben in einen Karton gepackt und abgeschickt“, erläutert Hans-Reimer Sievers die erfolgreichen Bestrebungen seiner Mannschaft. Obwohl Ina Helms, eine der OrganisatorInnen von den AusrichterInnen „Rote Hosen Ost-Berlin“ diesen Vorstoß wegen des doch arg verschimmelten Gemüses „etwas prollig“ fand, wurde die Einladung nach Hamburg verschickt. Die Roten Beete sorgen im Festzelt schließlich immer für Stimmung und guten Umsatz. „In Hamburch gibt’s nur ein’ Verein“ ist ein Klassiker ihres Gesangsrepertoires. Und der ist nicht einmal arrogant. In Sachen Alternativfußball, wie ihn andere Städte in ihren Lustigkeitsligen wie der „Bunten Liga Köln“ oder der „Bielefelder Wilden Liga“ zelebrieren, ist die Hansestadt Brachland. Sievers und seine Kumpel kicken in der Hamburger Freizeitliga. Trainiert wird allerdings nicht, „dafür sind wir zu alt“. Immerhin wird Horst, ihr ältester Kämpfer, in diesem Jahr 50.

Der Alternativfußball hat eine lange Tradition in der Bundesrepublik. Teams wie „Partisan Eifelstraße Aachen“ und „Dynamo Windrad Kassel“ feiern dieses Jahr 20-jährige Jubiläen, andere Mannschaften wie die „Roten Sterne Bremen“ gibt es schon seit 1974. Schiedsrichter sind ebenso verpönt wie Spielerpässe, Gehaltsforderungen und Funktionäre, die Fußballanarchos pfeifen auf eine Auswechselbegrenzung oder die Rückpassregel, und – der letzte Mann darf auch eine Frau sein.

Thomas Gsella, als „Titanic“-Autor anerkannter Experte in Sachen Humor, unterstellte einigen Mannschaften der Bunten Ligen vor einigen Jahren „eine zwanghafte Neigung zur humoristischen Darstellung“. Taktische Formationen, Gründungslegenden, Fußballalltägliches, nichts entkomme ihrem Zugriff. Auch Hans-Reimer Sievers fährt nicht nach Berlin, um zu gewinnen, sondern „weil’s Spaß macht“.

Kein Wunder, schließlich arbeiten die Roten Beete aus Hamburg mittlerweile schon intensiv an der Nullerkette.

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