: Fleißig, beständig, diszipliniert, grün
Nach einer Umfrage dürfen sich die Grünen zwar als bestbewertete Fraktion fühlen, müssen aber den Verlust des Sponti-Images verkraften. Nun wollen sie wieder frecher werden. Eine Koalition mit der CDU stößt auf Ablehnung
Radikal? Schillernd? Alles Schnee von gestern. Selbst das Etikett „frech“ mag noch nicht einmal ein Drittel der Berliner den hiesigen Grünen ankleben. Wer heute an sie denkt, hält sie zwar vor allem für sozial, verbindet mit ihnen aber zugleich gutbürgerliche Werte: Als fleißig und beständig sieht fast jeder Zweite die Partei, diszipliniert und verlässlich ist sie für eine starke Minderheit. Das geht aus einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa hevor, die die Grünen-Fraktion in Auftrag gegeben hat.
Fraktionschefin Sibyll Klotz mag nun Fleiß bei weitem nicht als negativ abtun. Aber: „Frech und schillernd war immer ein Markenzeichen der Grünen. Das wir nur noch von wenigen so wahrgenommen werden, enttäuscht mich schon“, sagt sie. Und erinnert sich fast schon mit Wehmut in der Stimme an auffällige Aktionen vergangener Tage. Als Grünen-Abgeordnete etwa bei der Vereidigung des vormaligen Generals Jörg Schönbohm als CDU-Innensenator im Plenum einen Stahlhelm aufsetzten. Solche Aktionen sind für Klotz zwar immer eine Gratwanderung. Dennoch: „Das sollten wir wieder mehr machen.“
Eigentlich war es der Fraktion bei der Auftragsstudie ja um die Frage gegangen, wie ihre Arbeit draußen wahrgenommen wird. Dabei schneidet sie laut Forsa am besten ab, knapp vor den SPD-Abgeordneten und deutlich vor den Fraktionen von CDU, FDP und PDS.
Überraschend ist die Einschätzung der Befragten, um welche Inhalte sich die Grünen besonders kümmern. Umweltschutz steht dabei mit 41 Prozent auf Platz eins, soziale Probleme folgen mit weitem Abstand mit 14 Prozent. Nur 4 Prozent meinen, die Fraktion kümmere sich besonders um das Thema Haushalt. Inneres/Justiz und Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik schneiden noch schlechter ab. Dabei hatten gerade grüne Umweltpolitiker bemängelt, ihr Bereich sei in der Fraktion an den Rand gedrängt, dabei traten die Grünen im Abgeordnetenhaus zuletzt vorrangig in Haushaltsfragen in Erscheinung.
Die Antworten seien nicht vom Eindruck der letzten Wochen geprägt, sondern seien langfristiger Natur, erklärt sich Forsa-Chef Manfred Güllner diesen Widerspruch. Die tatsächlichen Schwerpunkte im Abgeordnetenhaus nehmen Erwartungen der Wähler vorweg: Geht es nach denen, sollte sich die Fraktion deutlich weniger beim Umweltschutz und deutlich mehr bei Finanzen und Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik engagieren.
Fast jeder zweite Berliner und eine knappe Mehrheit der Grünen-Anhänger hielte es zudem für nützlich, wenn die Grünen in den SPD-PDS-Senat einsteigen würden. Jenseits aktueller Mehrheitsverhältnisse aber ist Rot-Rot-Grün bei weitem nicht die beliebteste Variante. Berlins Probleme zu lösen traut man vor allem einem rot-grünen Senat zu, deutlich vor einer Neuauflage der großen Koalition.
Ein immer wieder diskutiertes schwarz-grünes Bündnis stößt hingegen weithin auf Ablehnung, besonders aber bei den Grünen-Anhängern: Drei Viertel sagen Nein zur CDU. STEFAN ALBERTI