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Fledermäuse als Enten

Ein Fake macht Karriere: Journalisten erfinden eine Geschichte über Fledermäuse im Palast der Republik, und die Medien fliegen darauf (rein)  ■ Von Bernhard Pötter

Fledermäuse sterben aus, Enten dagegen sind nicht totzukriegen. Vor allem solche nicht, die niedrig durch die Medienlandschaft fliegen, den JournalistInnen einen Bären aufbinden und auf englisch „Fake“ heißen. Mit so einer dicken Ente haben in den letzten Tagen Mitglieder des Journalistenbüros „Medienetage“ und der Stadtteilzeitung von Mitte, dem scheinschlag, die KollegInnen genarrt. Ihre einfache Botschaft: Im Palast der Republik nisten Fledermäuse, daher muß der Palazzo Prozzo unter Naturschutz gestellt werden. Die Medien bissen an.

Als Tarnung hatten sich die Informationsfälscher als „Interessenverband der Naturschützer Berlins“ (INB) bezeichnet und ihre Forderung „Naturschützer für Palast der Republik“ per Pressemitteilung mit Bildern von hoppelnden Hasen und dem Logo eines schwindsüchtigen Hirsches versehen. Ihre Meldung: Fledermäuse, die durch die Altbausanierung in Mitte aus ihren angestammten Revieren vertrieben wurden, hätten im Palast „Zuflucht gefunden“, der durch die Stillegung ein „ideales Quartier“ für die Vampire sei. Die Frage nach dem Denkmalschutz für den Palast sei zwar umstritten, so die „INB“, doch „daran, daß das Gebäude unter Naturschutz gestellt werden muß, kann es keinen Zweifel geben.“

Zweifel an dieser Geschichte jedenfalls kannten auch die meisten Medien nicht. Nach der Veröffentlichung im scheinschlag schickte die Nachrichtenagentur ADN die Falschmeldung über den Ticker und erwischte damit die Redaktionen auf dem falschen Fuß: Ohne Möglichkeit zur Recherche meldeten die Blätter brav, was ADN ihnen geschickt hatte. Das Neue Deutschland fragte hoffnungsvoll: „Palast der Republik unter Naturschutz?“, die Morgenpost verkündete: „Fledermäuse flattern durch den ,Palazzo‘!“, der Tagesspiegel widmete dem Thema eine Glosse, der Berliner Kurier malte das Stilleben eines ganzen Biotops „Palast“, in dem „nach einigen Jahren Pflanzen siedeln, Vögel brüten und sich Höhlentiere einquartieren könnten“.

Die Radiosender schickten die Nachricht über den Äther. Beim angeblichen „INB“ standen die Telefone nicht still, das NDR- Fernsehen wollte drehen, und der besonders kritisch nachfragenden Berliner Zeitung vermittelten die „Naturschützer“ mitten im Karneval flugs einen Bonner „Fledermausexperten“. Ergebnis: ein Kommentar des Lokalchefs, der die Frage „Biotopschutz für den Palast“ auf die allgemein-politische Ebene hob.

Da gehört die Frage nach Ansicht der Verursacher zwar auch hin, doch in der ganzen Diskussion um den Palast fehle es „ein bißchen an Spaß und Phantasie“, meinte Ulrike Steglich von scheinschlag. Von der umwerfenden Resonanz der KollegInnen sei man völlig überrascht worden. „Die haben beim Thema Palast alle durchgedreht.“ Umweltverwaltung und Naturschutzverbände dagegen werteten die Meldung als „Faschingsscherz“.

In einer weiteren Pressemitteilung dankte der „INB“ dann den KollegInnen für die „breite Unterstützung und die umfassende Berichterstattung (in ihrer ganzen Differenziertheit) über Fledermäuse, Naturschützer und Paläste“. Je mehr sie über das Thema in den Medien lese und höre, desto wahrscheinlicher erscheine es ihr selbst, daß im Palast wirklich Fledermäuse flattern, meinte Steglich. „Wir wissen auch nicht sicher, daß es keine Fledermäuse da drin gibt. Man kommt ja nicht rein.“

Die taz hatte übrigens Glück. Aus wie gewöhnlich gutunterrichteten Kreisen hatte die Berlin-Redaktion von dem Fake erfahren und lachte sich ins Fäustchen.

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