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Flaue Zukunft

Bischof Lehmann: Die Lage in Ostdeutschland ist für die katholische Kirche ein Blick in ihre Zukunft

BERLIN taz ■ Der Mainzer Bischof Karl Lehmann ist ein intelligenter Mann, und er sieht harte Zeiten auf die katholische Kirche zukommen. Als Vorsitzender der Bischofskonferenz weiß Lehmann: Die Katholiken in Ostdeutschland machen eine Erfahrung, die vermutlich recht bald die ganze Kirche überall in Deutschland, auch im Westen, machen wird – eine „extreme Minderheit in einem säkularen Umfeld“ zu sein.

Der Hintergrund: Über 27 Millionen Mitglieder hat die katholische Kirche bundesweit, etwa ein Drittel der Gesamtbevölkerung. In den neuen Ländern aber sind es nur etwa 900.000, das sind gerade mal fünf Prozent der Ostdeutschen. Und überall nimmt die Entkirchlichung zu.

„Die Kirche in der Bundesrepublik Deutschland ist langfristig sicher von einem Teil der Probleme betroffen, auf die die Kirche in den neuen Ländern bereits jetzt reagieren muss“, folgerte Bischof Lehmann gestern bei der Vorstellung eines Tagungsbandes zum Thema. Oder, wie es der Erfurter Bischof Joachim Wanke, Vorsitzender der Pastoralkommission der Bischofskonferenz, sagt: „Was hier gelingt oder auch misslingt, wird die Zukunft aller Ortskirchen mitbestimmen.“ Die neuen Länder seien der„Freilandversuch“ für die Zukunft der Kirche, sagte Lehmann.

Was tun? Siegen lernen heißt in diesem Fall von der DDR lernen, bot Bischof Wanke als Ausweg an. Auch im Westen werde angesichts des Modernisierungsschubs in Wirtschaft und Gesellschaft die Vereinsamung und die Unsicherheit zunehmen – Erfahrungen, mit denen umzugehen die Christen im Osten schon lange üben mussten. Die Kirche müsse in Zukunft „grundlegend missionarisch“ werden, so Lehmann, und das heißt: Sie müsse sich „in die Lebensorte und Milieus hineinwagen, in denen die Menschen heute leben“.

Dieses etwas schwammige Ziel bedeutet in Ostdeutschland beispielsweise Angebote für Jugendliche, die sich nicht gleich firmen lassen wollen, aber auch nicht zu den noch immer populären Jugendfeiern wollen. Das Bistum Erfurt etwa bietet „Lebenswendefeiern“ an: erkennbar abgehalten von Pfarrern, doch ohne Missionsversuche.

Wie aber wirken sich die Streitereien zwischen den Bischöfen und mit dem Papst um die Schwangerenkonfliktberatung aus: Schreckt die Order des Papstes, aus dem staatlichen Hilfssystem für Schwangere samt Ausgabe eines Beratungsschein auszusteigen, nicht etwa die Frauen in Ostdeutschland ab, sich für die katholische Kirche zu interessieren? Bischof Wanke sagte, der „schmerzliche Prozess“ der Vergangenheit um diesen Schein habe immerhin eines gebracht: Jeder Thüringer wisse jetzt, dass die Kirche ganz klar gegen die Abtreibung sei.

Bischof Lehmann kündigte an: Noch in diesem Jahr wollten die Bischöfe zumindest eine Rahmenvereinbarung treffen, wie sie den Frauen in Not weiterhin helfen können. Hierbei wollen die Bischöfe zukünftig mehr auf die Sozialarbeiterinnen in den Beratungsstellen hören. Um – wie im Osten – von den Erfahrungen der Basis zu lernen.

PHILIPP GESSLER

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