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Archiv-Artikel

Flaschenpost vom Produzenten

SUBVERSION? Oh Vater, gib uns den Widerstand: Die Studenten der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin fürchten den Druck des Marktes und streiken gegen ihren neuen Direktor, den Regisseur Jan Schütte

Das Streikgespräch sollte darum gehen, wie der eigenständige Film der Zukunft in einem trotz Alimentierung zusehends von Markt und Quote strukturierten Feld zu schaffen sei

VON THOMAS GROH

Um einen Film zu drehen, sagte Werner Herzog einmal, brauche man nur Mut und Drang. Für das nötige Geld raube man zur Not eine Bank aus. Lippenbekenntnisse eines romantischen Bohemiens sind das nicht: „Aguirre“ drehte er im Dschungel mit einer Kamera, die er zuvor der Filmhochschule München geklaut hatte, da er vom Anrecht auf seinen Film überzeugt war. In der „Schurkenfilmschule“, die er gerade in loser Folge als Wochenendseminar in Los Angeles oder New York anbietet, vermittelt er jungen Filmemachern zwar keine Grundlagen der Fördermittelantragstellung, aber dafür, wie man Schlösser knackt und Dokumente fälscht.

Dagegen folgen die jüngsten Ereignisse an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) der eingeübten Grammatik von Beschluss und Protestdeklamation: Nachdem eine Kommission der Universität der Künste sich über die Nachfolge des Direktors Hartmut Bitomsky nicht einig wurde, übernahm das wirtschaftsnahe Kuratorium der dffb das Verfahren. Dessen Wahl fiel gegen den Willen der meisten Studierenden auf Jan Schütte, ein für ästhetische Anschmiegsamkeit und an den Bedürfnissen der Filmförderung entlang produzierte Filme bekannter Regie-Routinier, den man eher mit der professionellen Handwerkslehre in Ausbildungsstätten wie Ludwigsburg verbindet.

Streik gegen Schütte

In einer Urabstimmung Mitte März entschied sich daher ein Großteil der Studierenden für Streik: mehr Transparenz und Mitspracherecht in Personalfragen, mehr Raum für ästhetisch widerspenstige Filmkonzeptionen lauten die Forderungen. Gerade Letztere sehen die Studierenden durch einen Direktor Schütte bedroht.

Wahrscheinlich ist Schütte tatsächlich eine Fehlbesetzung: Die ersten Jahrgänge der 1966 gegründeten dffb mischten sich aktiv ins politische Geschehen ein. Seitdem haftet der Schule der Ruf eines subversiven Laboratoriums an, deren Absolventen eher der Kunst als Marktbedürfnissen verpflichtet sind, wie Harun Farocki, Thomas Arslan und Christian Petzold.

Als „Mythos dffb“ hat dies der Filmkritiker Bert Rebhandl denn auch beim ersten einer Reihe von Streikgesprächen bezeichnet. Um die Personalfrage Schütte ging es dabei ausdrücklich nicht, sondern darum, wie der eigenständige Film der Zukunft in einem zusehends von Markt und Quote strukturierten Feld zu schaffen sei und welche Rolle dabei die öffentlich finanzierte Ausbildungsstätte dffb zukomme. Mit dem Produzenten Florian Koerner, den Regisseuren Jörg Buttgereit und Christoph Hochhäusler und dem Filmverleiher Frieder Schlaich bot das Podium mehrere Modelle, dem Widerspruch zwischen Markt und Kunst, zwischen Kinokasse und Filmförderung zu begegnen.

Um ästhetische Widerständigkeit ging es konkret am allerwenigsten. Eher hatte man den Eindruck einer Flaschenpost, die potenzielle spätere Arbeitgeber ans Hochschulnest der Studierenden senden: „So schaut’s aus unter Marktbedingungen, von hier viele Grüße!“

Plädoyer für Low Budget

Es mögen diese Erfahrungen in der Arbeitswelt sein, die die Profis immer dann etwas ratlos machten, wenn die Sprache doch einmal auf den studentischen Protest kam: Statt solidarischer Gesten Berufsfeldskizzen. Buttgereit, in den 80ern selbst erfolgloser dffb-Bewerber, plädierte für den finanziell entschlackten Low-Budget-Film abseits teurer Bürokomplexe. Schlaich betonte, dass der beste Weg nicht immer über Akademien führt.

Vorsichtig verband sich Hochhäusler mit den Studierenden und fragte ganz generell, ob Filmhochschulen angesichts kostengünstigerer Produktions- und Distributionsmöglichkeiten digitaler Medien als Orte des Wissenstransfers überhaupt noch infrage kämen. Oder ob ihre zukünftige Rolle nicht in der theoretisch fundierten Raffination des ästhetischen Sensoriums ihrer Absolventen liege.

Florian Koerner sprach indessen eine im Raum liegende Frage deutlich aus: Ob ein Direktor tatsächlich einen der alarmistischen Streikrhetorik entsprechenden Einfluss auf die studentischen Arbeiten nehmen könne, ob es nicht vielmehr an den Leuten selbst sei, den zukünftigen Film unter Laborbedingungen zu erproben.

Wille zur Aufmüpfigkeit

Damit sprach er, auf zweiter Ebene, auch ein grundsätzlicheres Problem des Streiks an: das seiner Vermittelbarkeit. Sehr deutlich ist den Protesten der Wille anzumerken, sich in die Geschichte der dffb als Ort der Aufmüpfigkeit einzureihen. Die nach außen strebende Agilität des einstmaligen nötigen Vatermords der Gründerzeit scheint jedoch einem erstarrten Ruf nach einer voranstehenden Projektionsfigur gewichen.

An den Studierenden liegt es, diesen Eindruck aus der Welt zu schaffen. Bis dahin ist Werner Herzog vielleicht nicht der schlechteste Ratgeber.