: Fingerhakeln zwischen CSU und FDP
■ Kohl: Kronzeugen beiseite legen, „weil eine halbe Lösung keine Lösung ist“ / Strauß will Wende in der Sicherheitspolitik / Beide geben Leihstimmen für FDP / Genscher kritisiert Kohl
Frankfurt (ap/taz) - Mit gegenseitigen Attacken sind CSU und FDP am Wochenende in die heiße Phase des Wahlkampfes eingetreten. Der Streit gipfelte in der Auseinandersetzung um die Kronzeugenregelung, die der CSU–Vorsitzende Franz Josef Strauß auf dem Wahlkongreß in München zum Anlaß nahm, der FDP eine „typische Augenauswischerei“ vorzuhalten. Leisere Töne schlug Bundeskanzler Kohl an, der auf direkte Angriffe gegen die Liberalen verzichtete und lediglich von „Problemen in der Koalition“ sprach. Strauß forderte, daß die FDP ihre „Zick–Zack–Linie“ aufgeben solle. Es müsse auch dort eine Wende geben, wo immer noch Vorstellungen aus der Zeit der liberal–sozialistischen Koalition vorhanden seien. Strauß meinte, ihm läge nichts daran, die FDP unter die 5 Als Koalitionspartner müsse sie sich jedoch an klare Koalitionsbeschlüsse halten. Kohl, der von den etwa 1.100 CSU–Delegierten mit viel Beifall empfangen wurde, sprach sich dafür aus, die Kronzeugenregelung zunächst „zur Seite zu legen.“ Ohne auf den Mainzer FDP– Beschluß ausdrücklich hinzuweisen, sagte der Kanzler: „Man muß das gesamte Paket der Sicherheitsgesetze verabschieden. Die Kronzeugenregelung soll man herausnehmen, weil eine halbe Lösung keine Lösung ist.“ Durch alle Reden zog sich wie ein roter Faden die Mahnung, daß die Wahl vom 25. Januar noch nicht gewonnen sei, die Union um jede Stimme kämpfen müsse und keine Leih stimmen zu verschenken habe. Auf dem Deutschlandtag 1986 der Jungen Union in Köln fand es CDU–Generalsekretär Heiner Geißler denn auch angebracht, den unverhohlenen Optimismus der Parteijugend hinsichtlich der Bundestagswahl zu dämpfen. „Das Rennen ist noch offen.“ Zwar sei die SPD auf dem „absterbenden Ast“, dafür nähmen die Grünen zu, die er als „Schickimicki–Partei der Kir Royal–Society“ verhöhnte. Kohl auf derselben Veranstaltung: „Widerstehen wir dem trüben Zeitgeist!“ Von Außenminister Genscher mußte er sich hingegen Kritik wegen seiner umstrittenen Vergleiche gefallen lassen. „Die Menschen“ in der Sowjetunion, ob sie Kommunisten sind oder nicht, erwarten von unserer Politik gegenüber der Sowjetunion, daß sie die 20 Millionen Toten nicht vergißt, die der Überfall Hitlers in diesem Land gefordert hat“, mahnte er. Ausdrücklich stimmte Genscher dem Bild Gorbatschows vom gemeinsamen europäischen Haus zu, auch wenn sich darin gegensätzliche Systeme eingerichtet hätten.
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