: Fingerfertigkeit allein reicht nicht
Neu in Berlin, lange im HipHop: Gerade fand DJ Stylewarz auf seinem Debut-Album „The Cut“ die goldene Mitte aus Plattenteller-Akrobatik und kommerziellem Rap. Am Donnerstag ist er mit verdienten Kollegen in der Markthalle zu Gast
von THOMAS WINKLER
„Berlin ist cool“, stellt Michael Whitelov fest, „aber der Ost-Charme fängt langsam an zu nerven.“ Dabei lebt Mister Whitelov gerade mal ein halbes Jahr in Friedrichshain und schockiert die dortigen Bäckereifachverkäuferinnen noch immer mit einem flotten „Moin Moin“ zu jeder Tageszeit. Hat er schließlich die ersten drei Jahrzehnte seines Lebens an der Nordseeküste verbracht: Von Bremerhaven aus allerdings hat sich Whitelov längst unter dem Pseudonym Stylewarz als einer der versiertesten Hip Hop-DJs der Republik etabliert.
Nach Jahren als Gewinner von DJ-Battles und als Produzent und Tour-DJ vieler bekannter deutscher Rapper hat er nun das erste Album unter eigenem Namen heraus gebracht. Auf The Cut versammelt er zwar mit Old School-Ikone Torch, Eißfeldt von Absolute Beginner oder Das Bo von Fünf Sterne Deluxe einige der prominentesten Stimmen im deutschen Rap, aber Stylewarz legt Wert darauf, dass sein erster langer Entwurf zuvorderst ein DJ-Album ist – im Gegensatz zu Veröffentlichungen von Kollegen wie Plattenpapzt oder Roey Marquis Jr. „Beats bauen kann jeder, dazu muss man kein DJ sein“, sagt er, „ein DJ-Album sollte was mit Deejayen zu tun haben.“
Das bedeutet, dass auf The Cut nicht nur gerappt wird und die Beats rollen, sondern vor allem viel Platz bleibt für Stylewarz, ausführlich das zu präsentieren, was der HipHop-Head gemeinhin „skills“ nennt. Und tatsächlich hebt sein technisches Vermögen an den Plattentellern Stylewarz aus der breiten Masse deutscher DJs heraus. Auf der anderen Seite aber ist ihm die reine Turntable-Akrobatik der organisierten DJ-Wettbewerbe mit dem Alter zunehmend fremd geworden: „Das Battlen an sich hat keinen Wert mehr für mich, für mich ist es kein Leistungssport mehr. Mir geht es eher darum, neue Sachen zu lernen.“ Zu denen gehört auch die Erkenntnis, dass ein Track zuerst einmal als Track funktionieren muss – und Fingerfertigkeit allein niemand zum Tanzen bringt. So ist herausragende Leistung von The Cut, den goldenen Mittelweg zwischen Turntablism und dem kommerziellen Potential von Rap gesucht und gefunden zu haben.
Auch inhaltlich beschäftigt sich The Cut vornehmlich mit HipHop. In „Ein MC und ein DJ“ würdigt Ferris MC die kleinste denkbare Rap-Produktionseinheit, in „Ich hab den Größten“ parodieren Eißfeldt und David P die HipHop-immanente Großtuerei und in „Stylewarz“ schließlich feiert Das Bo nicht nur den Gastgeber, sondern erteilt vor allem allen eine Absage, die hierzulande auch heute noch nur US-Vorbilder kopieren. „Zu viele wurden zu früh von Plattenfirmen gesignt“, teilt Stylewarz ein weit verbreitetes Urteil über den DeutschHop-Hype, „da blieb die Qualität auf der Strecke.“
Mangelnde Erfahrung kann man Stylewarz, der im November 31 Jahre alt wird, nicht vorwerfen. Als Sohn eines US-Amerikaners, der mit der Army nach Deutschland kam, wuchs er nicht mit Teeniepop, sondern mit Funk und Soul auf: „Parliament oder Earth, Wind & Fire, das lief den ganzen Tag bei uns zuhause.“ Mit 13 Jahren begann er bei Jams aufzulegen, mit 15 schlug er seine erste DJ-Battle in einem GI-Club in Bremerhaven. In seinem erlernten Beruf als Lackierer arbeitet er nur einen Monat, „bis ich die Kohle zusammen hatte, um nach New York zu fliegen“. Zurück aus den Staaten schlug er sich mit ABM-Stellen durch, seit drei Jahren kann er allein von Musik leben.
So hat er alle Höhen und Tiefen miterlebt, durch die HipHop hierzulande bislang gegangen ist. Seine erste Band No Remorze hat die Pioniertage mit geprägt, das kommerzielle Hoch vor zwei Jahren schließlich konnte er als DJ von Ferris und D-Flame aus nächster Nähe begutachten und glaubt nun: „HipHop wird jetzt ernst genommen. Zumindest wird man nicht mehr belächelt wegen der weiten Hosen.“ Zum Aufstieg des Genres hatte er nicht unwesentlich beigetragen, als er einige konkurrierende DJs als Nichtskönner abqualifizierte, vor allem den Stuttgarter Thomilla (Turntablerockers). Die anschließende Auseinandersetzung zwischen Nord und Süd war ein gefundenes Fressen für die Medien.
Nach Berlin kam er vornehmlich der Liebe wegen und weil sich Bremerhaven als „Sackgasse“ entpuppte: „Da ging nichts mehr.“ Die meisten musikalischen Kontakte aber pflegt er weiterhin in der alten Heimat, wo auch sein ständiger Partner DJ Kaoz geblieben ist. Berliner Kollegen wie die Spezializtz kennt er zwar schon seit Jahren, aber noch ist er „froh manchmal allein zu Hause zu sein“. So genießt einer der einflussreichsten deutschen DJs sein selbstgewähltes Exil. Und den täglichen Kulturschock beim Brötchen-Erwerb.
mit D-Flame, Torch, Toni L, Ferris MC und No Remorze: Donnerstag, 20 Uhr, Markthalle
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