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Finanzstadtrat wird gemaßregelt

■ Affäre um Visolux-Mietfreiheit: Kreuzbergs Bürgermeister Schulz wirft Stadtrat Peter vor, das Bezirksamt nicht "ausreichend informiert" zu haben. Schulz droht Peter mit Disziplinarrecht

In der Affäre um die umstrittene Mietfreiheit für das Kreuzberger Elektronik-Unternehmen Visolux hat der Kreuzberger Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Bündnis 90/Die Grünen) disziplanrrechtliche Maßnahmen gegen seinen Finanzstadtrat Wulf- Jürgen Peter (CDU) angekündigt. Peter habe das Bezirksamt „nicht ausreichend“ darüber informiert, daß er zweimal den Visolux-Mietvertrag verlängert habe, wonach das Unternehmen keine Miete für das bezirkseigene Gebäude in der Prinzenstraße 85 zahlen müsse.

Bedingung für die Mietfreiheit war die Firmen-Zusicherung, dafür das Haus instand zu setzen. Strittig ist, ob Peter diesen Mietvertrag zweimal bis zum 31. Oktober 2001 habe verlängern dürfen. Dem Bezirk gehen so seit Sommer 1996 Mieteinnahmen von monatlich 80.000 Mark verloren.

Schulz kündigte an, daß die Firma Visolux in sechs bis zehn Tagen detailliert darstellen werde, welche Baumaßnahmen sie vorgenommen habe. Nach Auskunft des Bezirksamts lieferte das Unternehmen bisher lediglich eine noch nicht bestätigte Aufstellung seiner Investitionen für das Haus. Demnach habe Visolux in das Gebäude rund 4 Millionen Mark investiert – etwa ebensoviel, wie zwischen 1996 und 2001 rechnerisch als Miete angefallen wäre.

Aufgrund der Stellungnahme des Unternehmens werde ein Gutachter etwa zwei Wochen lang prüfen, ob die versprochenen Investitionen tatsächlich getätigt wurden, die verlängerte Mietfreiheit also berechtigt war. Dies sei noch nicht „deutlich faßbar“, so Schulz.

Umstritten ist auch, ob Peter mit seinen Unterschriften unter die beiden Verträge zur Verlängerung der Mietfreiheit in die Zuständigkeit des Baustadtrats Matthias Stefke (ebenfalls CDU) eingegriffen hat. Stefke betont, daß dies in seiner Zuständigkeit liege und es keine Absprache zwischen ihm und seinen Kollegen gegeben habe. Peter habe nicht unterschreiben dürfen, unterstreicht Stefke.

Schließlich ist im Bezirksamt unklar, ob dem Bezirk durch die Verlängerung der Verträge Schaden entstanden ist. Sollten die Einkünfte im Haushaltsplan 1999 in der Gesamtsumme des Titels „erwartete Mieteinnahmen“ – was unklar ist – mit eingerechnet sein, müßten etwa 960.000 Mark im laufenden Haushalt gekürzt werden. Stadtrat Peter war gestern nicht zu einer Stellungnahme zu erreichen.

Der SPD-Kreisvorsitzende Andreas Matthae kündigte an, seine Bezirksverordneten-Fraktion behalte sich einen Abwahlantrag gegen Peter vor. Am 16. Februar werde man zudem die Einsetzung eines Sonderausschusses fordern, der den „Schlamassel“ aufklären solle. Philipp Gessler

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