Filmstarts á la carte : Der menschliche Bohnerbesen
Die Karriere des Buster Keaton begann als „menschlicher Bohnerbesen“ - bereits als Vierjähriger trat er in den derben Vaudeville-Nummern seiner Eltern auf. Später sollte ihm die artistische Körperbeherrschung in seinen Filmen zum Vorteil gereichen: zunächst in den Slapstickkomödien seines Freundes Roscoe „Fatty“ Arbuckle, ab 1920 auch in seinen eigenen, schon erheblich elaborierteren Kurzfilmen, die neben den gewagten Stunts und Verfolgungsjagden bereits das ganze Universum Keatons widerspiegeln: die Vorliebe für mechanische Spielereien (insbesondere die Eisenbahn), den permanente Kampf mit der Tücke des Objekts, sowie eine amüsante, selbstreflexive Thematisierung von Technik und Genres des Mediums Film. Für die ab 1923 entstehenden abendfüllenden Spielfilme reichten Gags und Stunts als reiner Selbstzweck nicht mehr aus: Keaton begann, Spielhandlung und Gags zu verzahnen. Die Handlung bot nun Anlass für die Gags, die wiederum die Handlung vorantrieben. „Verflixte Gastfreundschaft“, der 1923 in der Zusammenarbeit mit seinem Co-Regisseur John G. Blystone entstand, erzählt die Geschichte von Willie McKay (Keaton), der in den Süden reist, um sein Erbe anzutreten. Dort gerät er unversehens in eine Blutfehde, die seine Familie mit den Nachbarn namens Canfield verbindet, in deren Tochter er sich auf der Zugreise verliebt hat. Eine Szene verdeutlicht besonders Keatons brillante Inszenierung: Im Vordergrund betritt Canfield Jr. das Bild auf der Suche nach Willie. Im Hintergrund sitzt der nichtsahnende Willie vor einer Felskante am See und angelt. Unterdessen sprengen Arbeiter einen Staudamm - und gerade als Canfield Jr. Willie in sein Blickfeld bekommen müsste, verschwindet jener hinter einem über den Felsen rauschenden Wasserfall.
„Our Hospitality“ (Verflixte Gastfreundschaft) 28.4. im Filmmuseum Potsdam
Von der Sexualität behinderter Menschen handeln Kinogeschichten eher selten. Regisseur Paul Greengrass ist es in „Vom Fliegen und anderen Träumen“ gelungen, seine Story von der mit Muskelschwund im Rollstuhl sitzenden Jane (Helena Bonham Carter), die - bevor sie ganz hinfällig wird - mit einem Mann schlafen möchte, und dem labilen Maler Richard (Kenneth Branagh), der ihr auf der Suche nach einem ansprechenden Sexualpartner behilflich ist, nicht zu einem tränensusigen Betroffenheitsdrama verkommen zu lassen. Statt dessen geht er mit Janes Behinderung sehr selbstverständlich und humorvoll um: Weil Jane schließlich nicht mit jedem ins Bett will und der avisierte Spitzengigolo eine Menge Geld kostet, soll sogar zunächst noch eine Bank überfallen werden...
„The Theory of Flight“ (Vom Fliegen und anderen Träumen) 27.4.-3.5. in den Tilsiter Lichtspielen
Nicht jedem Touristen wird in Paris gleich die Gattin von einem orientalischen Geheimdienst entführt, doch das Gefühl, in der Fremde vor einem Problem zu stehen, ohne der Landessprache mächtig zu sein, kennt wohl jeder. In Roman Polanskis Thriller „Frantic“ dient die Entführung allenfalls als MacGuffin, um den amerikanischen Arzt Dr. Walker (Harrison Ford) in einer ihm feindselig erscheinenden Stadt von einer peinlichen und grotesken Situation zur nächsten zu hetzen. Höhepunkte sind eine slapstickartige Kletterpartie auf einem Dachfirst und die Suche in einer Bar nach der „White Lady“, die bei einem Drogendealer auf der Toilette endet. Ebenfalls in der kommenden Woche zu sehen: Polanskis erster langer Spielfilm „Das Messer im Wasser“, ein Kammerspiel um das Psychoduell zweier Männer auf einem Segelboot.
„Frantic“ 27.4.-3.5. im Klick; „Das Messer im Wasser“ 27.4.- 3.5. im Nord
Lars Penning
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