■ Filmstarts à la carte: Traumschlösser
Nachdem der mittlerweile real nicht mehr existierende Sozialismus Berlins Mitte einst des Schlosses beraubte, kommt als adäquater Veranstaltungsort einer langen Nacht mit Schloß-Filmen nur noch der Schlüterhof des Zeughauses in Frage. Drei Filme demonstrieren einen sehr unterschiedlichen Umgang mit dem Schauplatz „Schloß“: Herbert Maischs Geniekult-Werk „Andreas Schlüter“ (1942) zeigt die königliche Residenz in ihrer Entstehungsphase. Ein reichlich barocker Heinrich George porträtiert den Baumeister, der sich aufopferungsvoll und allen Widerständen zum Trotz ganz dem Werk hingibt – so liebten es die Nazis seinerzeit.
Da sich in Roman Polanskis„Tanz der Vampire“ (1967) die lebenden Charaktere stark in der Minderheit befinden, verwundert es nicht, daß in der Horror- Komödie vor allem die Frage im Mittelpunkt steht, wie man am besten in die gräfliche Gruft hineinkommt. Ähnlich der feudalen Krypta erscheint in „Tanz der Vampire“ auch das Schloß selbst weniger als finstere Spukhöhle denn als Abglanz einstiger aristokratischer Größe.
Kein Prunkgemäuer, sondern ein Traumschloß aus Licht und Schatten entwarfen Jean Cocteau und sein Kameramann Henri Alékan für „La Belle et la Bête“ (1946). Wenige Dekorationsstücke sowie ein Korridor mit wehenden Vorhängen genügten ihnen, um jene surreale Atmosphäre zu schaffen, die für die Verfilmung eines Märchens, das von der Kraft wahrer Liebe erzählt, angemessen erschien.
„Andeas Schlüter“, „La Belle et la Bête“,
„Tanz der Vampire“,
25. Juli, Zeughaus-Kino,
open air im Schlüterhof
Hätte Graf Dracula seine Aktivitäten doch bloß aufs heimische Transsylvanien beschränkt! Denn dort besitzt natürlich auch der Graf ein Schloß – und in ebendiesem Gemäuer vermochten ihn Regisseur Todd Browning und Kameramann Karl Freund recht eindrucksvoll in Szene zu setzen. Zeigt sich Dracula im Scheine der flackernden Kerzen und beim Klange des Wolfsgeheuls noch als wahrer Fürst der Finsternis, so mutiert er nach seiner Abreise gen England dann leider zu einem drittklassigen ungarischen Schauspieler namens Bela Lugosi, der sich verzweifelt durch ein statisch abgefilmtes Theaterstück quält.
Doch trotz aller Kritik bleibt „Dracula“ ein Markstein seines Genres: Todd Brownings Film eröffnete Universals erfolgreichen Horrorzyklus der dreißiger Jahre, diente als Vorbild unzähliger Vampirfilme und legte den Grundstein für Lugosis Karriere als Gruselstar.
Freinachtkino im Podewil
Schauplatzwechsel: Vom Schloß ins Haus auf dem Land. Dort finden sich nämlich die Protagonisten von Louis Malles „Komödie im Mai“ zur Beerdigung der Großmutter und zum Beerben derselben ein. Die tragikomischen Erbstreitigkeiten finden allerdings ein vorübergehendes Ende, als die Gesellschaft von der Beinahe-Revolution des Mai 1968 überrascht wird.
Da man sich vorm geistigen Auge bereits enteignet und an die Wand gestellt sieht, flieht man mit dem Picknickkorb in die revolutionäre Errungenschaft der freien Liebe.
27. und 30. Juli, Babylon-Mitte
Lars Penning
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