■ Filmstarts à la carte: Die Hutnadel im Kopf
Der berühmte Mann mit der linksgescheitelten Frisur und dem kleinen Schnurrbärtchen tritt auf die Terrasse seiner Festung auf dem Obersalzberg und gerät ins Fadenkreuz eines Präzisionsgewehrs. Der Schütze krümmt den Zeigefinger, doch die Waffe gibt nur ein klickendes Geräusch von sich – sie ist nicht geladen.
Denn Captain Alan Thorndike (Walter Pidgeon) ist kein politisch motivierter Mörder, sondern ein Jäger, der den Führer lediglich als schwer zu beschleichendes Großwild betrachtet. Thorndike repräsentiert den typischen englischen Gentleman der Vorkriegszeit: Die Nazis sieht er als Gegner in einem nach den Regeln des Fair play ausgetragenen Spiel und glaubt ganz naiv, den SS-Schergen, die ihn verhaftet haben, das „kleine Mißverständnis“ erklären zu können. Wie der politisch interessierte Großwildjäger diesen Irrtum erkennt, und die Notwendigkeit des Kampfes gegen die Barbarei des Faschismus einsieht, davon erzählt Fritz Langs Spionagethriller „Man Hunt“ (1941).
„My home is my castle“ lautet bekanntlich ein Motto der Briten, und so glaubt auch Thorndike nach geglückter Flucht und seiner Rückkehr ins Heimatland das Schlimmste überstanden zu haben. Doch das helle, geräumige Heim bietet ihm keinen Schutz mehr, die Fünfte Kolonne ist bereits überall, und London wird für Thorndike zur labyrinthartigen Falle. Lang inszeniert einen Alptraum der Unsicherheit: neblige Straßen, düstere Absteigen, vermummte Männer – für den vom Jäger zum Gejagten Gewordenen lauern auf dem ungewohnten Terrain die Gefahren überall.
Erst ein Mädchen aus der Arbeiterklasse (Joan Bennett) vermag dem Großbürger in dieser Situation zu helfen: Das Zusammentreffen des Cockney- Girls mit dem Gentleman gerät zu einer der unwahrscheinlichsten und schönsten Liebesgeschichten des Kinos. Doch in jenen Zeiten kann gemeinsames idyllisches Fish&Chips-Essen nicht von Dauer sein; die neue Freundin wird von den Nazis ermordet. Und so verbindet sich das bei Lang allgegenwärtige Motiv der Rache mit dem politischen Aspekt der Geschichte: Ihre Hutnadel in Gestalt eines kleinen Pfeils wird für den Jäger Thorndike zum Mittel der tödlichen Rache am verantwortlichen Nazi- Spion.
Versuchte „Man Hunt“ 1941 beim wenig kriegsbegeisterten Publikum (der Angriff auf Pearl Harbor fand erst im Dezember statt) Überzeugungsarbeit für den Kampf gegen den Faschismus in Form eines melodramatischen Thrillers zu leisten, so verfolgte Henry Hathaways „The House on 92nd Street“ vier Jahre später einen anderen Ansatz.
Für das Hollywood der damaligen Zeit durchaus noch untypisch, bemühte man sich zumindest in der formalen Gestaltung um größere Realitätstreue und filmte in semidokumentarischem Stil an Originalschauplätzen. Mit voller Unterstützung des FBI entstanden, erzählt der Film vom Kampf – und den Mitteln des Kampfes: Doppelagenten, Zweiwegspiegel, Geheimcodes – der Bundespolizei gegen Nazi-Agenten. Doch „The House on 92nd Street“ ist weniger ein Anti-Nazi- Film (bei der Uraufführung war der Krieg bereits beendet) als vielmehr ein Propagandafilm für die Effizienz des FBI. Und welche Tendenz die Aktivitäten dieser Behörde kurze Zeit später bekamen, zeigt ein Film von Gordon Douglas aus dem Jahre 1951: „I Was a Communist for the FBI“
17.8. im Zeughauskino
„I Was a Communist for the FBI“ (OF),
15.8. im Zeughauskino
Lars Penning
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