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■ Filmstarts à la carteStadtansichten

Wie man einen Ausflug an die Spree gekonnt mit einem Kurztrip an die Seine verbindet, zeigt in diesen Tagen das Zeughauskino. „Schauplatz Paris“ lautet das Thema, dem das idyllisch am Flußufer gelegene Lichtspieltheater zur Zeit sein Programm widmet.

Drei Filme aus verschiedenen Jahrzehnten demonstrieren in der kommenden Woche, wie die französische Metropole in den Augen der Filmemacher immer wieder neu entsteht: In „Le jour se lève“ (1939) verzichten Marcel Carné und Jacques Prévert auf das glamouröse Postkarten-Paris und führen uns in ein von Arbeitern bewohntes Vorstadtviertel. Eine Fabrik, trostlose Mietskasernen und schäbige Häuschen neben den Bahngleisen, gnädig eingehüllt vom Rauch der vorbeidonnernden Lokomotiven – die von Alexander Trauner entworfene Studiokulisse verbreitet jene Stimmung der Ausweglosigkeit, die der Situation des Arbeiters François (Jean Gabin) entspricht. Nachdem er den Verführer seiner Freundin erschossen hat, erinnert er sich, nunmehr von der Polizei belagert, allein in seinem Zimmer an die Ereignisse der vergangenen Wochen.

Ein anderes Milieu präsentiert uns Robert Bresson in „Les dames du Bois de Boulogne“ (1945): Herren in Frack und Zylinder, Damen im Pelz – gleich zu Beginn langweilt sich die feine Gesellschaft im Glanz der Großstadtlichter. Man wohnt in elegant gestylten, großzügigen Räumen, hat im Salon das unvermeidliche Piano stehen und promeniert im Bois de Boulogne. Doch das Paris der Reichen wirkt so kalt wie das Herz der Hauptprotagonisten: Als kühl kalkulierender Racheengel verkuppelt Maria Casarès ihren ehemaligen Geliebten mit einer Tänzerin zweifelhaften Rufs. Ließen sich Carné und Bresson ihr Paris noch im Studio entwerfen, so gingen Jean- Luc Godard und sein Kameramann Raoul Coutard Ende der fünfziger Jahre für „A bout de souffle“ mit der Kamera an die frische Luft.

Straßencafés, Straßenkreuzer und Straßenverkauf der New York Harold Tribune – in einem turbulenten Paris schlägt sich der Kleingauner und Zufallsmörder Michel (Jean-Paul Belmondo) von Tag zu Tag durchs Leben und widmet sich seinen Leidenschaften: dem Klauen, dem Kino und der reizenden Patricia (Jean Seberg). Doch der neue Realismus war nicht zuletzt Kostengründen geschuldet – ein Atelier hätte sich die Produktion gar nicht leisten können.

„Les dames du Bois de Boulogne“

(OF) 11.9;

„A bout de souffle“ (OF),

16.9. im Zeughauskino

Auch Billy Wilder siedelte im Jahre 1945 seine Alkoholikerstudie „Das verlorene Wochenende“ in der Großstadt an. Allerdings handelt es sich um New York, wie uns ein Schwenk über die charakteristischen Hochhäuser und Straßenschluchten gleich zu Beginn verdeutlicht. Für einen Hollywood-Regisseur jener Epoche durchaus nicht alltäglich, filmte Wilder zum Teil „on location“: In einer dramatischen Sequenz begleitet die versteckte Kamera den alkoholkranken Schriftsteller (Ray Milland), der seine Schreibmaschine zu Geld machen möchte, auf dem erfolglosen Weg von Pfandleihe zu Pfandleihe (die aufgrund eines Feiertages geschlossen bleiben) durch die – für die Dreharbeiten nicht abgesperrten – New Yorker Straßen.

12.–15.9. im Regenbogenkino

Lars Penning

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