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■ Filmstarts à la carteRomantische Illusionen

Das Fernsehen bringt sie uns jeden Tag frei Haus: Die Eingeborenen Papua-Neuguineas und die Indianer des tropischen Regenwaldes sind uns mittlerweile vermutlich vertrauter geworden als unsere Nachbarn im Betonsilo nebenan. Doch auch als noch allein das Kino den Menschen als primäre Bildinformationsquelle diente, unternahm man gern Ausflüge zu fremden Völkerschaften in exotische Länder.

Robert Flahertys Erfolg mit Dokumentarfilmen wie „Nanook of the North“ (1922) und „Moana“ (1926) führte Ende der zwanziger Jahre zu einer ganzen Reihe von Werken, die – frei nach der alten Produzentenlogik „einmal ein Hit, immer ein Hit“ – wahlweise in der Arktis oder auf tropischen Inseln spielten. Die Südsee war der ideale Ort für die eskapistischen Träume zivilisationsmüder Menschen westlicher Prägung: fantastische Landschaften, edle Eingeborene und ein unverklemmter Umgang mit Sexualität – auch der Maler Paul Gauguin hatte sich davon bereits inspirieren lassen. Natürlich fiel damals jeder auf seine Weise törichten romantischen Illusionen zum Opfer: Die Filmproduzenten erwarteten hollywoodtypische Liebesgeschichten in tropischem Setting, und von Flaherty ist bekannt, daß er den vermeintlich so natürlichen Eingeborenen die Traditionen ihrer Vorfahren zum Teil erst wieder beibrachte, ehe er sie filmte.

Dem Druck der Produzenten mochte sich Flaherty allerdings nicht beugen: Im Planungsstadium an den meisten Südsee-Projekten der damaligen Zeit noch irgendwie beteiligt, überwarf er sich mit seinen Financiers und ging Anfang der dreißiger Jahre nach England.

Sein letzter Versuch, einen „authentischen“ Südsee-Film zu drehen, stammt aus dem Jahr 1928 und führte ihn mit Friedrich Wilhelm Murnau zusammen. Doch auch bei der Arbeit an „Tabu“ auf Tahiti gab es Streit über die „Richtung“; Flaherty reiste ab und ließ Murnau den Film allein vollenden. So trägt die Inszenierung denn auch deutlich die Handschrift des deutschen Regisseurs: Die Art, mit der Murnau beispielsweise ein unheilbringendes Schiff in den Bildkader hineinfahren läßt, erinnert ebenso an seinen Horrorklassiker „Nosferatu“ wie der bedrohliche Schatten, den der Priester wirft, als er das zum Tabu erklärte Mädchen mit ihrem Geliebten entdeckt. Flahertys Intentionen finden sich dagegen eher in den Szenen vom Perlenfischen wieder: Auch wenn durch einen Hai für reichlich Spannung und Fiktion gesorgt ist, läßt sich das Dokumentarische in den Bildern hier noch am besten erkennen.

Als John Wayne 1979 starb, hatte er sich selbst in über einhundert Filmen zu einer Ikone stilisiert: konservativ und patriotisch, mit rauher Schale und weichem Kern – der archetypische Amerikaner. Waynes Bandbreite als Schauspieler war nicht besonders groß – als er sein Image jedoch erst einmal gefunden hatte, vermochte er es zu unser aller Zufriedenheit stets zu reproduzieren.

Das war jedoch nicht immer so gewesen: In seiner ersten Hauptrolle „The Big Trail“ (1930) wirkte er so unsicher und linkisch, daß man ihn auf einige Jahre in Serials und B-Filme verbannte, ehe ihn John Ford 1939 für „Stagecoach“ aus der Versenkung hervorholte. Die Rolle des sympathischen Revolverhelden Ringo machte den nunmehr „coolen“ Wayne zum Superstar; „Stagecoach“ avancierte nicht zuletzt aufgrund seines Hauptdarstellers zu einem der großen Klassiker der Filmgeschichte.

Lars Penning

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