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Fehltritt beim Allianz-Richtfest

Zur Feier der Versicherung in ihrem zukünftigen Hauptquartier „Treptowers“ am Spreeufer ist der Architekt des Hochhauses nicht geladen. Fabrik mußte Bürokomplex weichen  ■ Von Rolf Lautenschläger

Richtfeste sind die Feiern für die starken Männer und Frauen vom Bau. Der Zimmermann hält eine Rede und zerschmettert mit einem Trinkspruch sein Schnapsglas. Das bringt Glück. Der Architekt und der Bauherr loben sich und die Arbeit. Am Ende wird der Richtkranz hochgezogen und gesoffen, daß es kracht.

Das heutige Richtfest der Allianz für ihre „Treptowers“, jene wuchtigen Blöcke samt 25geschossigem Turmbau an der Spree auf dem einstigen Gelände der Elektroapparatewerke (EAW), wird nicht ganz so lustig. Statt wie gewohnt nur ein Fest der Bauarbeiter zu inszenieren, hatte die Versicherung am gestrigen Abend öffentlichkeitswirksam zu einem candlelight dinner in das Hochhaus geladen. Und auch heute geht das Richtfest nicht ohne Fehlgriff über die Bühne.

Gerhard Spangenberg, Gewinner des städtebaulichen Wettbewerbs für das 325.000 Quadratmeter große Dienstleistungs- und Bürozentrum und Architekt des Turmbaus, wird von der Allianz bei der Fete verschmäht. Spangenberg erhielt keine Einladung zum Kerzenessen. Zum Richtfest darf er nur als ganz gewöhnlicher Teilnehmer.

Auch eine Rede wird Spangenberg nicht halten. An seiner Stelle hebt der Konzern den Hamburger Investorenarchitekten Peter Schweger aufs Schild, den die Allianz für ihren Baukomplex mit ins Boot geholt hatte.

Während ein Versicherungssprecher den Fauxpas damit abtat, „daß auf Richtfesten keine Architekten auftreten“ (was nicht stimmt, da Schweger als Redner auf dem Programm steht), reagiert Architekt Spangenberg sauer: „Das ist unfair, schließlich ist Richtfest für das gesamte Ensemble, die Büroblöcke und das Hochhaus.“ Der Turm habe die maximale Höhe erreicht, „außerdem führen wir die städtebauliche Oberaufsicht über die Planung durch“.

Die Richtfestpanne bildet einen erneuten Lapsus des 1,5-Milliarden-Mark-Projekts „Treptowers“. Um Platz für die Dienstleistungsgebäude zu schaffen, hatte der Bauentwickler Roland Ernst 1994/95 die Abrißbirne in die alten Fabrikgebäude der EAW fliegen lassen.

Bis auf den denkmalgeschützten Gewerbebau blieb vom früheren Hauptwerk an der Treptower Elsenbrücke kaum etwas übrig. Gisbert Dreyer, Geschäftsführer der Roland Ernst Städtebau GmbH, trauert den Abrissen nicht nach. „Wir reißen nicht nur ab und stellen was Neues hin“, sagt er. Der Altbau werde wiederhergestellt und für die Mieter dreier Wohnhäuser Ersatz angeboten.

Doch für die Roland-Ernst- Gruppe ging es um mehr. Für die „Berliner Docklands an der Oberspree“ mit schicken Bürogebäuden für die Allianz mußte der Industriebetrieb EAW ins Gras beißen. Projektentwickler Roland Ernst, der auch die Galeries Lafayette in der Friedrichstraße in Mitte baute, hatte 1993 das 11 Hektar große EAW-Areal von der Treuhandanstalt erworben.

Als unerwünschte Dreingabe bekam er den Industriebetrieb noch dazu. Die Fabrikhallen standen den Verwertungsinteressen des Investors aber entgegen, der auf die Tertiärisierung des Geländes setzte. Deswegen mußten die Produktionsstätten weichen.

„Der Immobilienhai mußte die Kröte schlucken“, jetzt würge er sie wieder heraus, faßt Norbert Wichary, EAW-Betriebsrat, die Entwicklung bildhaft zusammen. Denn von den 1.150 Beschäftigten, die Roland Ernst von der Treuhand übernahm, sind gerade noch 250 übriggeblieben.

Nach dem Ablauf der Beschäftigungsgarantie 1996 baute Ernst das Werk Stück für Stück ab: Gesundschrumpfen oder Rationalisierung genannt. Zurück bliebt der EAW-Torso – und Raum für neue Dienstleistungsstandorte.

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