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■ FriedrichstadtpassagenFehlstart mit Tradition

Die Entscheidung der Galeries Lafayette, die Eröffnung des Luxuskaufhauses auf das kommende Frühjahr zu verschieben, zeigt, daß das Konzept der Friedrichstadtpassagen bereits vor Inbetriebnahme vor dem Scheitern steht. Nicht nur die Vermietung der Büroräume steht im Grunde still, sondern auch in den Ladengeschäften geht so gut wie nichts. Es spricht vieles dafür, daß nach der Pariser Entscheidung auch die Eröffnung der unterirdischen Passage platzt. Ein Kaufhaus allein macht noch keine Straße, und auch eine Friedrichstraße mit Geschäften ist nicht a priori eine Goldgrube. Statt der feierlichen Eröffnung und dem ersten Weihnachtsgeschäft legten die Investoren nun einen grandiosen Fehlstart aufs hauptstädtische Parkett, der den Ruf der Friedrichstadtpassagen als Menetekel noch über Jahre begleiten wird.

Der Flop mit den Passagen hat in Berlin freilich Tradition. Nicht nur das 1907 errichtete Passagenkaufhaus zwischen Friedrichstraße und Oranienburger Straße ging bereits nach wenigen Jahren pleite und mußte an die AEG verscherbelt werden. Auch die pünktlich zum Geburtstag Wilhelms I. (im Frühjahr!) 1872 eröffnete Kaisergalerie an der Stelle des heutigen Grand-Hotels blieb hinter den Erwartungen weit zurück. Otto Glaugau, ein zeitgenössischer Beobachter, notierte: „Auf der Passage ruhte von vorneherein ein Fluch. Nur mit Not gelang es, die Läden zu vermieten, nachdem man die zuerst in Aussicht genommenen Mieten bedeutend herabgesetzt hatte.“ Selbst Restaurants und Hotels, die später anstelle der Büros und Geschäfte einzogen, klagten über die Unlust der Berliner, ihr Geld in Passagen auszugeben. Was diese schließlich in Schwung brachte, waren nicht Luxusgeschäfte, sondern die kleinteilige Mischung. Große und kleine Sensationen im Panoptikum, das Anatomische Museum oder das „Chat noir“ bewahrten die Besucher vor Langeweile. Nicht jeder wird aus Schaden klug. Uwe Rada

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