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Fehlspekulation im Weltraum

■ Das amerikanische Raumfahrtprogramm ist weitaus teurer als geplant

Mit einigen Aufsehen erregenden Zahlen hat sich jetzt ein amerikanischer Wissenschaftler in die Diskussion um die bemannte Raumfahrt eingeschaltet. Nachdem Präsident Bill Clinton kürzlich entschieden hat, daß die bereits mehrfach geschrumpfte US- amerikanische Raumstation Freedom noch einmal verkleinert werden soll und die Frage nach dem tatsächlichen Nutzen einer solchen Weltraumbasis damit immer dringender gestellt wird, hat Roger A. Pielke, Politologe an der Universität von Colorado in Boulder, jetzt einmal die tatsächlichen Kosten der amerikanischen Raumtransporter errechnet.

Pielke, der seine Zahlen in der amerikanischen Fachzeitschrift Aviation Week veröffentlichte, berichtet, daß die USA für ihr Raumtransportprogramm bis zum Jahre 1992 die Summe von 79,2 Milliarden Dollar ausgegeben haben. Umgelegt auf die bis dahin erfolgten 50 Flüge kommt er damit auf einen Preis von mehr als 1,5 Milliarden Dollar pro Flug. Im Gegensatz dazu berechnet die NASA ihren Kunden nur einen Bruchteil ihrer Kosten. So mußten die Deutschen für ihre D2-Mission nur etwa 130 Millionen Dollar als Flugpreis für den Raumtransporter Space Shuttle entrichten.

Auch wenn man die Entwicklungskosten des Shuttle abzieht und nur die operationellen Flüge berechnet, so Pielke, kommt man noch auf astronomische Summen. Der erste operationelle Einsatz des Raumtransporters war sein fünfter Flug und gleichzeitig der erste im Finanzjahr 1983. Addiert man alles, was von 1971 – als die Shuttle- Planungen begannen – bis zur Einsatzreife des Raumtransporters im Jahre 1983 an Entwicklungs- und Erprobungskosten ausgegeben wurde, kommt man auf 32,4 Milliarden Dollar. Aber von 1983 bis 1992 allein hat der Shuttle noch einmal 46,8 Milliarden Dollar verschlungen – oder etwa eine Milliarde Dollar pro Flug.

Dabei, so meint Pielke, ist das Shuttle-System und seine Infrastruktur – zu der unter anderem der Unterhalt des gesamten Startgeländes und zahlreicher Teams und Mannschaften gehört – an sich schon so teuer, daß selbst eine Verringerung der Zahl der Einsätze keine wesentlichen Einsparungen bringen kann. So mußten zum Beispiel für 1987, als überhaupt kein Shuttle-Flug stattfand, doch 4,7 Milliarden Dollar an Fixkosten für das Transporter-System ausgegeben werden.

In den siebziger Jahren, während der Planungsphase für den Shuttle, ging die Luft- und Raumfahrtbehörde davon aus, daß sie den Shuttle in den Jahren 1980 bis 1990 mehr als 500mal zu Flugkosten von je 10,5 Millionen Dollar würde starten können. So besehen, hat das benannte amerikanische Raumflugprogramm den Realitätsbezug längst verloren. Das gilt nicht nur für die horrenden Kostensteigerungen, sondern auch für die Gesamtplanung. Denn schon vor 20 Jahren, nach dem letzten Mondbesuch amerikanischer Astronauten im Rahmen des Apollo-Mondlandeprogramms, redete man bei der NASA von einem Nachfolgeprogramm. Es sah in erster Linie eine Raumstation vor, zu der mit einem speziellen Raumfahrzeug im Pendelverkehr Verbindung gehalten werden sollte. Als drittes Element war ein sogenannter „Space Tug“ geplant, eine Art von Sattelschlepper, der ständig im All verbleiben und – kostensparend – Satelliten von den tiefergelegenen auf hohe Umlaufbahnen bugsieren sollte.

Von diesen drei Komponenten wurde, sehr widersinnig, bislang nur der Shuttle gebaut, der allerdings nie ein Ziel im Weltraum bekam – die Station wurde ja nicht gebaut –, wohin er hätte „shutteln“ können. Weil die Station jedoch fehlte, mußten dann die Raumfähren selbst für die wissenschaftliche Forschung im All eingesetzt werden, eine Aufgabe, für die sie eigentlich nicht vorgesehen waren. So fliegt der Shuttle beispielsweise nicht mit Solarzellen, sondern nur mit Batterien und Brennstoffzellen, was einen längeren Forschungsaufenthalt im All von vornherein unmöglich macht. Anatol Johansen

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