: Fates Warning, Sanctuary und Secrecy
■ Von guten und weniger guten Fichtlern und Fichtelpetern
Könnte verhutzelter Grindcore sein: Secrecy (Foto: Martin Becker)
Langsam legt sich das Speed-, Trash- und Heavy Metal-Fieber in den deutschen Landen denn auch wieder. Die Nachzügler müssen sich miesepetrige Kritiken gefallen lassen, zumal der gute Wille nicht am technischen Produktionsstand vorbeisehen kann. Jeder halbwegs gute Fichtler fichtelt sich dicht durch das Standardrepertoire aller möglichen Fichtelpeter. Da ist es nun allerdings so, daß jene Megaacts wie Slayer, Megadeath oder Metallica schon vor gut zwei Jahren vom Hochgeschwindigkeitsspiel abgelassen haben, um sich zähem, altem, abgehangenem Stückwerk des Schweine-, Biker- und Hardrock zu widmen. Meinetwegen in Form eines Deep Purple-Revivals.
Wenn man indes 90er Bands aus der Newcomer-Ecke hört, dann fällt im Unterschied zu den Größen die Vorliebe für gesichtslose Gitarrenraserei und gekünstelte Wirrbreaks auf. Da wird der Spaß, endlos verschiedene Strophenlinien aneinanderzureihen, den Metallica wohl immer noch besitzt, zur verkrampften Notistenpflichtübung. Das hört man besonders häufig im germanischen Heavy Metal-Lager.
Nichts gegen Gründlichkeit. Secrecy haben eine satte Plattenproduktion im Rücken; das Talent, Stücke bis zur Unkenntlichkeit zu verzieren und zu phrasieren und vor allem Überdruck auf der Tempokiste. Das könnte symphatischer, verhutzelter, schwäbischer Grindcore werden. Doch die Jungs sind aus dem Norden, Bremen, Reinheitsgebot und am schlimmsten: Hannover liegt nahebei, d.h. Hoffnung auf Scorpions, Jane, Freakrock und Zirkusmetal. Secrecy lassen ihren Shouter also folgerichtig in mancherlei Variationen ganz Klaus Meine und Ronnie James Dio-mäßig aufjaulen, als wäre ihm jemand auf den Schwanz getreten, bizarr bis psychedelisch schrill.
Textlich macht das Klagegebräu allerdings unangenehm viel Sinn. Ihre »Final Words« gelangen auf dem Weg über Kitschekstasen (»Fade away/ If you stay«) am Ende zu jener »Teenboy träumt von schlechtem Fantasyzeug«-Attitüde, die man auf MTV bei so vielen Metalbands erlebt, die von dem eigenen Horror erschüttert sind.
Gerade dort haben die guten Bands wie Slayer etc. aber überhaupt immer erst angesetzt. Die reine Heftigkeit, das interessiert doch in diesem Genre am meisten. Fates Warning, Sanctuary und Secrecy zeichnen sich als brave 400-m-Hürdenrenner aus, bei deren Musik einem weder die Luft wegbleibt, noch daß man nach wenigen Takten das Laufen kriegt. Alles ganz nett. Eher zuwenig. Die erste LP von Uriah Heep hieß damals auch schon »Very 'eavy, very 'umble«. 'chwer und 'ürftig haben es heute die jungen Männer aus amerikanischen und deutschen Metallagern im Ecstasy. Harald Fricke
Um 21 Uhr im Ecstasy
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