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„Faschistoides Textgut“

■ Das oppositionelle jugoslawische Magazin Mladina bringt die Staatsmacht in Wut, u.a. durch „Beleidigung der Armee“ / Der Chefredakteur steht kommenden Dienstag vor Gericht

Bekannte Probleme, gemischte Gefühle: Angesehene jugoslawische Autoren ziehen ihre Beiträge für das Alternativ–Magazin Mladina zurück. Ihre Begründung: Die Redaktion sei übermäßig an der Auflagensteigerung interessiert und gehe wie ein Regenbogenblatt auf Skandalsuche,– anstatt wie früher der jugoslawischen Opposition und Alternativbewegung als Forum für unbequeme und auch skurrile Gedanken zu dienen. Die Staatsmacht nutzt die innere Krise des Blatts für eine Attacke. Belgrad (taz) - Die Partei tobt: Mladina, das Kultblatt der Intellektuellen Jugoslawiens, ist bestückt mit „faschistoidem Textgut“ (so die Belgrader Politika), druckt „Erklärungen, die selbst in der Emigrantenpresse nicht zu finden sind“ (ZK–Mitglied Milutin Milenkovic) und der Tonfall in diesem Alternativmagazin würde „selbst Josef Goebbels große Freude bereitet haben“ (so die Nedjeljna Dalmacija). Was vor Tagen noch als verbales Aufbäumen der dogmatischen Parteibonzen gegen den Zwerg im jugoslawischen Blätterwald (Auflage 50.000) belächelt werden konnte, nimmt nun schärfere Konturen an. Am kommenden Dienstag erwartet den Chefredakteur Franci Zavrl ein Gerichtsverfahren wegen Beleidigung und Verleumdung der Armee. Sollte Zavrl verurteilt werden, - woran in der Alternativszene des Balkanstaates kaum jemand zweifelt -, erwarten ihn mindestens drei Monate Gefängnis oder zwei Jahre auf Bewährung, mit Aberkennung des Rechtes auf politische Meinungsäußerung. Mladina hatte eine Reise von Verteidigungsminister Admiral Branko Mamula nach Äthiopien und Uganda Anfang des Jahres scharf kritisiert: Während alle Welt Lebensmittel in diese Hungerregion liefert, so das Wochenblatt, haben unsere Politiker nur eines im Sinn - möglichst viele Waffen zu verkaufen. Mamula sei ein Todeshändler, sein Ministerium eine Kommandozentrale des Waffentransfers. Eine Ausgabe später wartete Mladina mit der Behauptung auf, beim Bau einer Villa für den Admiral seien Rekruten zu Arbeitsleistungen herangezogen worden. Diese Sätze brachten das Faß zum Überlaufen. Schon seit Jahren hatte der Chefredakteur im Kreuzfeuer der Kritik gestanden. Er hatte u.a. die Freilassung politischer Gefangener, die Abschaffung der Todesstrafe und den Ausbau des Streikrechts gefordert. Jetzt soll an Zavrl ein Exempel statuiert werden, das zugleich den Freiraum der gesamten jugoslawischen Presse einschränken soll. Roland Hofwiler

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