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Fanrg Multer? Hutlo Frnny! ■ Von Fanny Müller
Um dem Silvesterquatsch in Hamburg zu entgehen, hatten wir eine Wohnung in Friedrichstadt gemietet, deren Einrichtung man ohne hinzukucken sofort in die Winterhilfe hätte geben können. Es handelte sich hauptsächlich um 76 tote Objekte, mal abgesehen von der Sesselgarnitur in der Farbe von Urin, wenn man zu viel gegessen und zu wenig getrunken hat, und mal abgesehen von den Raffgardinen. Eingerechnet bereits 2 meterhohe Aspidistras, 1 Efeu, 1 von der Evolution in dieser Form und Farbe meines Wissens noch nicht Hervorgebrachtes, aber wer weiß, vielleicht kommt das noch; 1 Weihnachtsstern – alles komplett aus Plastik. Strohblumenarrangements in rund und eckig und als Strauß. Ein gewebter Wandteppich, Sujet: ein Bauernhaus, dessen Giebel sich auf der Vorderseite befinden, offensichtlich eine Hommage an Picasso, der ja gerne mal beide Augen auf nur eine Gesichtshälfte verlegt hat; Porzellanschweine, die Handharmonika spielen. Allein im Wohnzimmer befanden sich drei Mobiles. Bei jeder unbedachten Bewegung wischte man mindestens zwei Weihnachtsengel auf den Teppich, und was man mit einer Hand wieder aufstellte, katapultierte man mit dem Hintern wieder runter. Alles in allem keine reine Freude.
Dafür sah ich aber pausenlos fern. Kurz vor Weihnachten habe ich meine Kiste nämlich bei der GEZ abbestellt und wollte mal prüfen, ob das vielleicht ein Fehler gewesen war. War es nicht. Wir sind dann viel spazieren gegangen und haben uns die Fenster der Einwohner angesehen, in denen auch viel Abstoßendes zu besichtigen war. Als wir damit und mit dem Fernsehen durch waren, nahm ich mir meine Weihnachtspost vor. Seit es Computer gibt, wird eine gute Handschrift ja nicht mehr gepflegt. Mein Verleger hatte eine Karte aus Italien geschickt, die mir schon der Postbote, den ich zufällig an der Haustür traf, als er gerade wieder damit abmarschieren wollte, unter die Nase gehalten hatte: „Sagen Sie ma, wohnt hier eine Fanrg Multer??“ Der Text lautete: „Hutlo Frnny, Wir Dn siekst läußt hin crlbs Knltunprogrmmm, sogan Arch. Musemcol Herculanemm. Bin schon völlig fortag, eher guts Essen &Trinkn crr olls ist gut. Tschan bella.“ Seitdem ich das entziffert habe, fühle ich mich fit genug, um mir nächstens einen Namen zu machen mit der Entschlüsselung der Knotenschrift der Azteken, also jedenfalls mit irgendwas, das bisher noch kein Mensch hat lesen können.
Auf der Rückfahrt wurden wir von einer Dame auf dem Bahnsteig belästigt, die uns fragte, ob sie uns was schenken dürfe, aber immer!, aber es waren keine Proben von Hormocenta oder was, sondern irgendwelche Erkenntnisse, die was mit Labiallauten zu tun hatten und mit der Tatsache, dass wir seit 5 000 Jahren Kriege auf der Erde haben. Dagegen kann man mit diesen Labiallauten irgendwie was machen, aber ich habe es nicht genau verstanden, und so direkt war ich auch nicht interessiert. Soviel ich weiß, habe ich noch keinen Krieg angefangen, und wieso soll ich dann einen beenden? Ich bin ja immer mehr für das Verursacherprinzip gewesen.
Übrigens hatte ich bei meiner Heimkehr – Überraschung! – einen Anruf auf dem Anrufbeantworter von einem Umfrage-Institut. Welche Programme ich so kucken würde.
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