: Falsches Sendungsbewusstsein
Vorstand nach Parteiproporz: Gesetzentwurf der Rechts-Koalition sieht Zerschlagung der Hamburgischen Anstalt für neue Medien (HAM) und des „Offenen Kanals“ vor. Morgen sollen in der Bürgerschaft die ersten Weichen gestellt werden
von MARCO CARINI
Der Vorstand der Hamburgischen Anstalt für neue Medien (HAM) schlägt Alarm: Die geplante Novelle des Hamburger Mediengesetzes drohe die Anstalt zu amputieren und den „Offenen Kanal“ zu zerschlagen. Drei wesentliche Eckpunkte des Gesetzentwurfs, der noch vor der Sommerpause von der Bürgerschaft verabschiedet werden soll, würden dieses Ziel verfolgen.
Novelle Nummer eins: Der Offene Kanal soll von der HAM in die Trägerschaft der geplanten Hamburg Media School überführt werden. „Als offenes Bürgermedium wird er damit zerschlagen“, weiß HAM-Vorstand Thomas Ricken. Nach seiner Einschätzung soll der Sender in Zukunft hauptsächlich zu Ausbildungszwecken für das neue Institut dienen. Der Etat des Offenen Kanals von 800.000 Euro – Rundfunkgebühren und Abgaben der zugelassenen Rundfunkanbieter – soll damit zur Finanzierung der Medienschule zweckentfremdet werden.
Novelle Nummer zwei: Unter dem Stichwort „Bürokratieabbau“ sollen die Aufgaben der HAM drastisch gestutzt werden. Die Anstalt, die bereits 26 Fernseh- und Hörfunkprogramme zugelassen hat, überwacht zurzeit auch die Einhaltung der an die Zulassung gekoppelten Auflagen, egal ob es um Mindestwortbeiträge im Radio, Jugendschutz auf der Mattscheibe oder lokale Berichterstattung im Privat-TV geht. Nach der geplanten Auflagenbegrenzung werde die Anstalt „kaum noch inhaltliche Einflussmöglichkeiten auf die von ihr zugelassenen Programme haben“, befürchtet HAM-Direktor Lothar Jene. Es drohe die „fortschreitende Boulevardisierung dieser Medien zu rein kommerziellen Angeboten“. Für Thomas Ricken schlägt sich Hamburg so „ein Instrument zur Gestaltung der Medienpolitik selbst aus der Hand“.
Novelle Nummer drei: Der ehrenamtliche HAM-Vorstand soll von 13 auf sieben Mitglieder verkleinert werden, die alle von der Bürgerschaft gewählt werden. Bislang wurden sechs Vorständler von gesellschaftlichen Institutionen – Kirchen, Kammern und Gewerkschaften – autonom bestimmt. Günter Hörmann, als Vertreter der Verbraucherzentrale im Vorstand, befürchtet, dass dieser künftig „nach parteipolitischem Proporz in den Hinterzimmern der Fraktionen ausgeschachert wird“. Statt „staatsfern“ wie bisher, wäre die HAM dann nur noch der verlängerte Arm der Regierung.
Bereits am Mittwoch sollen in der Bürgerschaft die Weichen gestellt werden. Die Amtszeit des im April neu zu wählenden Vorstands soll per Dekret bis zum Jahresende verlängert werden, um dann seine Amputation auf neuer Rechtsgrundlage durchsetzen zu können – für den amtierenden Vorstand „ein eklatanter, undemokratischer Eingriff in ein laufendes Wahlverfahren“.
Unterm Strich macht HAM-Vorständler Peter Braasch eine „komplette Ahnungslosigkeit“ der Hamburger Regierung über die Arbeit der Anstalt aus. So sei es dem Regierungsbündnis in seinem Koalitionsvertrag „nicht einmal gelungen, den Namen der Anstalt richtig zu schreiben“.