: „Falsche Zeit am falschen Ort“
Fußball-Länderspiel am 20. April erhitzt im Vorfeld die Gemüter / Neonazis mobilisieren zum Hitlergeburtstag in die „Reichshauptstadt“ ■ Aus Berlin Uwe Rada
Otto Höhne betont es immer wieder: „Der 20. April“, meint der Chef des Berliner Fußballverbands, „ist ein Tag wie jeder andere.“ Und das Fußball-Länderspiel gegen England „ein wahrer Leckerbissen“. Die Antwort aus der autonomen Szene kam prompt: „Gegen DFB und Nazis“ sprühten die Gegner des umstrittenen Länderspiels auf die Wände des Fußballverbands, warfen die Scheiben ein und Stinkbomben hinterher. Und Höhne? „Man muß den 20. April endlich auch als normalen Tag betrachten und damit dokumentieren, daß die Vergangenheit bewältigt wird.“
Berlin hat nach der vergeigten Olympiabewerbung wieder ein Thema, das die Gemüter erhitzt. Kaum hatte der Hamburger Innensenator Werner Hackmann (SPD) im Januar die ursprünglich an der Elbe angesetzte Begegnung wegen zahlreicher Proteste und „Sicherheitsbedenken“ abgesagt, standen der sonst blasse Berliner Sportsenator Jürgen Kleemann (CDU) und Fußball-Otto Höhne Gewehr bei Fuß. Daß das Ländermatch am Hitlergeburtstag nun ausgerechnet noch im historisch belasteten Olympiastadion steigen sollte, spielte bei der Entscheidung des DFB ebensowenig eine Rolle wie die öffentlich geäußerten Befürchtungen, daß Neonazis und rechte Hooligans das Spiel als willkommenen Anlaß für einen Aufmarsch nehmen könnten.
Der Berliner Senat indes übt sich in demonstrativer Gelassenheit. Ernstzunehmende Hinweise über mögliche Gewaltaktionen gebe es nicht, heißt es, anstatt die Gewalt herbeizureden, solle man das Sportereignis in den Vordergrund stellen. Auch der Berliner Fußballverband erachtet die Sicherheitsfrage als „zweitrangig“. Statt Panik soll es laut Höhne im Olympiastadion ein einzigartiges „Rahmenprogramm“ geben, mit der Rockgruppe „Scorpions“ und dem Vorschlag, „vor der Nationalhymne ein völkerverbindendes Lied zu singen“.
Die Mobilisierung rechtsradikaler Zirkel ist dagegen seit Wochen im Gange. So ruft unter anderem die „Freie Wählergemeinschaft Frankfurt/M.“ (FWF) über ein Infotelefon nach Berlin. Motto: „Die Reichshauptstadt ruft. Wir kommen“. Bereits zwei Tage vor dem Spiel will man vor dem Reichstag demonstrieren, für den 19. April ist eine Fahrt an die „deutsche Oderfront“ geplant. Aber auch in England, wo man 5.000 Fans für das Länderspiel erwartet, machen die Rechten mobil. Seit geraumer Zeit, erklärte ein Vertreter der renommierten Antifa-Zeitschrift Searchlight sondiere eine Gruppe namens „Combat 18“ deutsches Terrain und rufe zur Fahrt nach Berlin auf. Hinter der Gruppe verbirgt sich eine Art britischer „Anti- Antifa“, die „18“ steht für den ersten und achten Buchstaben im Alphabet: A.H. wie Adolf Hitler. Zwar habe man den Einfluß der englischen Rechten in den Ligastadien zurückdrängen können, erklärte der Searchlight-Vertreter, die Anziehungskraft eines Länderspiels sei für die Rechtsradikalen jedoch nach wie vor ungebrochen, zumal sich England nicht habe für die Fußball-WM in den USA qualifizieren können.
Daß das Spiel zur „falschen Zeit am falschen Ort“ stattfinde, meinen denn auch die Gegner der Fußballbegegnung. Die Erfahrung der letzten Jahre zeige, sagte Elke Breitenbach von „GewerkschafterInnen gegen Rassismus“, daß der 20. April eben kein normales Datum sei. Wer dies dennoch behaupte, verschließe die Augen nicht nur vor der deutschen Geschichte, sondern auch der Gegenwart der letzten Jahre. Nahezu 50 Gruppen sind im Bündnis „Kein Länderspiel am 20.4.“ vertreten, darunter auch die Berliner Grünen, die PDS, die Gewerkschaft HBV sowie autonome Gruppen und antirassistische Fan-Initiativen. Ziel des Bündnisses, das für den 9. April zu einer bundesweiten Großdemonstration aufruft, ist es, das Spiel noch im Vorfeld zu verhindern. Auf eine Demonstration am Tag des Spiels habe man verzichtet, um in den Bezirken gegen die befürchteten Nazi-Übergriffe präsent sein zu können.
Mittlerweile haben die Berliner Länderspielgegner auch einen Adressaten für ihre Forderungen: die englische „Football Association“. Mit einem „Bombardement von Faxen“, erklärte eine Vertreterin des Bündnisses ganz in Tradition der Anti-Olympia-Bewegung, wolle man in England über die Berliner Gegnerschaft informieren. Ob diese Mithilfe überhaupt nötig ist, darüber darf freilich spekuliert werden: Bereits am vergangenen Wochenende hatte die „Football Association“ erklärt, man behalte sich vor, das Spiel abzusagen. Zwar dementierte der Berliner Fußballverband unter Berufung auf den englischen Verband umgehend. Auf Nachfrage der taz jedoch ließ ein Sprecher der Association lediglich wissen, daß man nicht spekulieren wolle, „unter welchen Umständen das Spiel von englischer Seite abgesagt werden kann“. Die englische Vorsicht hat durchaus reale Hintergründe: In zwei Jahren soll in England die Fußball-Europameisterschaft stattfinden. Daß randalierende Hooligans den in der Vergangenheit nicht unbedingt englandfreundlichen Europäischen Fußballverband veranlassen könnte, über den Austragungsort noch einmal nachzudenken, weiß man auf der Insel nur zu genau.
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