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Falsche Konsequenz

Der Parlamentsvize Albert Eckert ist zurückgetreten  ■ K O M M E N T A R

Albert Eckert hat resigniert. Sein Rücktritt ist der falsche Weg, ein völlig unnötiges Nachgeben in der Schlammschlacht gegen die schäumende Schlafzimmer- und Sittenpolizei von Wienhold-CDU-'Bild'-und-Konsorten. Ein Nachgeben, das Schuld impliziert, wo es keine Schuld gibt. Ein Nachgeben aber vor allem, das die Abweichung von gesellschaftlichen Sexualnormen bestraft und den muffigen „goldenen Mittelweg“ sanktioniert. Für viele Bürger dieser Stadt ist damit bestätigt, daß ein schwuler Schönheitsmasseur eben doch keinem Parlament vorsitzen kann. Die Aussicht, daß die Saubermänner die Kampagne gegen ihn fortsetzen und tief in den Bettlaken wühlen könnten, hat Eckert offenbar die Lust auf sein neues Amt genommen. Das kann man, muß man verstehen. Und doch bleibt dieser Rücktritt eine große Enttäuschung. Denn es sind immer die Falschen, die die Konsequenzen ziehen. Und es sind immer die falschen Konsequenzen. Diepgen hat seine Connection mit Bordellkönig Otto Schwanz überlebt, Lummer hat seine Affäre im Stasi-Bett - begleitet von heimlichem Schulterklopfen über den dollen Heinrich - überstanden, Eckert stolpert über eine schwule Massagepraxis.

Die Behauptung, Eckert sei ein Strichjunge, ist inzwischen gerichtlich untersagt worden und darf von niemandem mehr geäußert werden. Das ist das eine. Das wichtigere aber ist, daß auch ein Strichjunge das selbstverständliche Recht hätte, diesem Abgeordnetenhaus vorzusitzen. Auch die naheliegende Frage, ob ein Strichjunge nicht eine höhere moralische „Qualifikation“ hat als jeder Bauspekulant, Banker oder Geldwäscher ist überflüssig. Es bedarf keiner moralischen Legitimation, denn es gibt im Parlament kein Berufsverbot.

Manfred Kriener

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