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Archiv-Artikel

Falsch eingeschätzt

Nach Katamaran-Unglück auf der Nordsee: Laut Experten legte das Fährschiff „Polarstern“ bei zu hohen Wellen ab

Drei Tage nach dem Katamaran-Unfall auf der Nordsee sind weiterhin Fragen zur Unglücksursache unbeantwortet. Fest steht, dass die verunglückte Fähre „Polarstern“ die Insel Helgoland am Montagnachmittag bei zu hohem Wellengang verlassen hat und die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) erst am folgenden Morgen über den Unfall informiert wurde. Rund eineinhalb Stunden nach dem Auslaufen hatte schwere See einen Teil der Frontreling auf dem Hochgeschwindigkeits-Katamaran losgeschlagen und in ein Fenster katapultiert. 24 Menschen wurden verletzt, drei davon schwer.

Bis Mittwochmittag lag der Staatsanwaltschaft Aurich die Anzeige eines Fahrgastes wegen Körperverletzung vor. Gegen den 27 Jahre alten Kapitän wird wegen fahrlässiger Körperverletzung und Gefährdung des Schiffsverkehrs ermittelt. Bis zur Klärung der Unglücksursache darf die „Polarstern“ nicht auslaufen.

Wie das Hamburger Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) am Mittwoch mitteilte, waren die höheren Wellen zum Zeitpunkt des Auslaufens der „Polarstern“ im Schnitt 2,69 Meter hoch. Die Reederei AG Ems hat sich eigenen Angaben zufolge für das Auslaufen eine absolute Höchstgrenze von 2,50 Metern gesetzt. „Wir müssen noch klären, ob der Kapitän diese Werte kannte“, hieß es bei der Reederei.

„Die Polizei hat uns erst Dienstagmorgen informiert“, sagte der stellvertretende Leiter der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU), Jürgen Albers, in Hamburg. Allerdings verlieren die Ermittler dadurch keine Informationen. „Wir hatten zunächst befürchtet, dass der Schiffsdatenschreiber nach zwölf Stunden bereits gelöscht ist“, sagte Albers.

Vor dem Ablegen erkundigt sich die Crew nach Angaben des BSH-Experten Ralf Berger normalerweise beim Helgoländer Hafenmeister nach den jüngsten Werten der Messbojen. Das gelte besonders, wenn die Wetterlage kritisch sei. Die Hafenmeisterei auf Helgoland wollte sich am Mittwoch nicht dazu äußern, ob die Crew diese Anfrage gestellt hatte. Ein Sprecher der Reederei hatte tags zuvor mitgeteilt, dass 2,50 Meter hohe Wellen vorhergesagt waren – also genau an der selbst gesetzten Höchstgrenze. Der Kapitän der „Polarstern“ habe in einer „Ermessensentscheidung“ gehandelt: Er legte 40 Minuten früher ab als im Fahrplan angekündigt. DPA