Fahrradklima-Test vom ADFC: Grade mal ausreichend
Obwohl der Radverkehr in Berlin stetig wächst, geben die RadlerInnen der Stadt im ADFC-Fahrradklimatest lediglich die Note 4,1.
Manchmal muss man sich fast wundern, dass so viele Menschen in Berlin auf dem Fahrradsattel unterwegs sind: Die Noten, die sie den Bedingungen für das Radfahren erteilen, sind konstant miserabel. Erhoben werden sie seit 2012 alle zwei Jahre im bundesweiten „Fahrradklima-Test“ des ADFC, und auch in der aktuellen Version, die am Dienstags vorgestellt wurde, erhält die Hauptstadt eine Gesamtbewertung von 4,1. Da sich die Skala an Schulnoten orientiert, bedeutet das so viel wie: grade mal ausreichend.
Über die Hälfte der 5.628 BerlinerInnen, die an der Umfrage von Anfang September bis Ende November teilnahmen, empfinden Radfahren im Straßenverkehr als Stress (Teilnote: 3,9), rund 60 Prozent fühlen sich als Verkehrsteilnehmende nicht akzeptiert (4,2). Ganz düster sieht es bei der Frage nach der Sicherheit von Radfahrenden im Verkehr aus: Die sahen mehr als 80 Prozent im Berliner Verkehr nach wie vor nicht gegeben, im Durchschnitt ergab das 4,7 – man könnte auch sagen: eine Fünf plus.
Einen Lichtblick gab es bei der Frage danach, ob die Situation für den Radverkehr zuletzt eher besser oder schlechter geworden sei: Hier verbesserte sich die Zensur von 4,2 im Jahr 2018 auf 3,4. Deshalb und für das erfolgreiche Experiment mit der Einrichtung von „Pop-up“-Spuren im Rahmen der Pandemiesituation erhielt Berlin vom ADFC-Bundesverband den „Sonderpreis Corona“.
Im Vergleich zur Note 4,27 aus dem Jahr 2018 stand am Ende eine hauchdünne Verbesserung der Gesamtbewertung. Und unter den 14 deutschen Städten mit mehr als 500.000 EinwohnerInnen konnte sich der Geburtsort des ersten Mobilitätsgesetzes aus Position 12 auf Platz 9 vorkämpfen. Der Bundesschnitt, in den die Ergebnisse von über 1.000 großen und kleinen Städten einfließen, stagnierte übrigens bei 3,9.
Großzügig geduldete Falschparker
Im Detail vertraten nicht weniger als 90 Prozent der Berliner Befragten die Ansicht, dass auf Radwegen parkende Autos von der Polizei zu großzügig geduldet würden. Und fast 80 Prozent gaben an, bei der – vollkommen legalen – Nutzung der Fahrbahn würden sie bedrängt und behindert. So gut wie alle (95 Prozent) fanden, die vorhandenen Radwege seien zu schmal, während 86 Prozent sagten, die Wege seien für junge und ältere Menschen nicht sicher.
„Die Unzufriedenheit der Radfahrenden ist groß“, fasste Frank Masurat vom ADFC-Landesvorstand das Offensichtliche zusammen. Ob es nun „an bizarren Verwaltungsstrukturen oder kaputtgesparter Infrastruktur“ liege, „an permanentem Personalmangel, an parteipolitischem Gezänk oder an der Angst der Regierungskoalition vor dem Geschrei einiger wenigen Parkplatz-Verteidiger“, immer wieder werde „das Mobilitätsgesetz gebrochen“.
Zwar sähen die Berliner Radfahrenden in der jüngsten Zeit Verbesserungen, so Masurat. „Sie fühlen sich im Verkehr jedoch nach wie vor mehrheitlich gefährdet und gestresst.“ Rund 25 Kilometer Pop-up-Radwege seien „noch keine Einladung, berlinweit klimafreundlich aufs Rad umzusteigen“. Der Senat müsse das Mobilitätsgesetz „dramatisch schneller auf die Straße bringen“, und das Pop-up-Verfahren der vorläufigen Anordnung eigne sich dafür sehr gut.
Der Vision näher kommen
Zu den dringenden Forderungen des ADFC Berlin gehört auch die Verabschiedung des Radverkehrsplans und des Radnetzes. Beides müsste gemäß dem Mobilitätsgesetz längst vorliegen. Nun solle es wenigstens noch vor den kommenden Wahlen soweit sein, so der Radlobby-Verband. Auch der vom Gesetz proklamierten „Vision Zero“ ohne Verkehrstote und Schwerverletzte könne man sehr schnell viel näher kommen, sagte Vorstandsmitglied Masurat.
Ein „neues Paradigma“ müsse etwa sein, dass eine Kreuzung, deren Gestaltung einen solchen Unfall begünstigt habe, „nicht so, wie sie ist, wieder in Betrieb genommen“ werden dürfe. Das könne etwa bedeuten, dass ein Rechtsabbiegeverbot für Lkws eingerichtet werde, das frühestens nach Umbau des Knotenpunkts wieder aufgehoben werde.
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