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■ KommentarFadenscheinig

Bürger, die nicht mehr wählen, weil sie die Politik der Altparteien satt haben, sind schlechte Demokraten. Nur solche, die zähneknirschend das kleinere Übel in die Parlamente schicken, sind echte Garanten unseres Staatswesen. So einfach ist das.

Oder besser, so einfach wollen sich das einige in Hamburg machen. „Stell Dir vor, es ist Wahl, und alle gehen hin“, mit diesem Slogan, so glaubt eine Werbeagentur mit der selbstzufriedenen Unterstützung der Staatlichen Pressestelle, von Bürgermeister Voscherau und Hamburger Medienleuten, könne man all diejenigen, die lieber zuhause bleiben, wieder an die Urnen locken. Aber worin liegt die angepriesene „positive Utopie“ in diesem Slogan? Was passiert denn, wenn alle hingehen – außer daß sich nichts ändert?

Und daß sich eh nichts ändert, gerade dieses Gefühl treibt viele Wähler doch seit Jahren in die politische Abstinenz. Oder das Empfinden, daß Politiker auf fernen Umlaufbahnen über den Bürgern kreisen und zuerst immer an die eigenen Pfründe denken. Während Sozialabbau und Arbeitslosigkeit den Sozialneid wachsen lassen und jede Nacht Wehrlose als Sündenböcke der Nation dem zündelnden Mob preisgegeben werden.

Sicherlich, ein Anliegen der Kampagne ist wichtig für die Demokratie: Zu verhindern, daß die braune Brut ins Parlament einzieht. Aber dazu gehört schon mehr als weichgespülte Werbesprüche. Dazu sind klare Bekenntnisse aller Parteien nötig, daß sie es ernst meinen mit Menschlichkeit für alle, unabhängig von Nationalität und Fluchtursachen. Auch bräuchte es eine Große Koalition der Medien, damit endlich Schluß ist mit den als Schlagzeilen getarnten verbalen Brandbomben.

Die Hamburger Kampagne verzichtet auf all dies. Sie ist leicht zu durchschauen.

Sannah Koch

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