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Fachwissen in Sachen Seemannsgarn

■ Fliegende Holländer, Klabautermänner und ein Seeräuber-Johnny mit Dackelblick: „Ahoi – die einzig wahre Seemannsrevue“ im Schmidts lotet den Herzschmerz am Kai aus

Um Seefahrtslieder wahrhaft genießen zu können, muss das Ambiente stimmen. So ist denn auch schon vor dem Schmidt Theater alles auf Seefahrt eingestellt, laden doch Kapitän Pierre (Tilman Madaus) und seine Crew zur Uraufführung von Ahoi – die einzig wahre Seemannsrevue, bei der Petra Klämpges Regie führt. Vorbei an einer auf metallicblauem Bonbonpapier Schifferklavier spielenden Frau, begeben sich die Zuschauer über eine Schiffsbrücke auf die MS Schmidt. Wie man sich nun eine Kreuzfahrt an Bord dieses Schiffes vorstellen darf, erfährt man in den folgenden zwei Stunden: Zuerst einmal begrüßt der erste Offizier Johnny (Stefan Huebsch) die Passagiere mit der Aussicht auf musikalische Unterhaltung aufs Herzlichste. Die Band jedoch ist krank, der Auftritt muss beinahe ins Wasser fallen.

Günstig, dass sich auch die Besatzungsmitglieder allesamt aufs Singen verstehen und quasi einspringen können. Den Part der Sängerin Lulu übernimmt kurzerhand Krankenschwester Paula (Yvonne Bitter), die sogleich zur ganz heißen lady in red mutiert und das erste Lied des Abends anstimmt: „Johnny, nimm das Heimweh mit.“

So hat das Publikum es mit einer Geschichte in einer Geschichte zu tun, was durchaus unterhaltsam ist. Schließlich sehen auch Schiffskoch Fiete (Ferdinand Hlebayna) und Schiffsjunge Hein (Nils Owe Krack) endlich ihre Chance, sich an Bord etwas in den Vordergrund zu spielen. Aus vollem Halse schmetternd zeigen sich die Besatzungsmitglieder gegenseitig, wer der Beste ist. So sind denn die alten Themen Konkurrenz und Kampf um die Liebe auch auf der MS Schmidt ständig präsent.

Richtig ernst nimmt das – wie sollte es im Schmidt Theater auch anders sein – keiner. Sämtlichen Herzschmerz über am Kai zurückgelassene Frauen und lange Trennungen, aber auch Vergnügungen wahlweise auf St. Pauli oder in Shanghai trägt das Ensemble großartig übertrieben vor: Johnny gibt sich in Opernmanier ganz pathetischer Gestik und Dackelmimik hin. Hein kehrt den Hamburger Jung heraus und klärt die Passagiere in Sachen „Fachwissen über Seegang“ auf.

Besonders grandios gelingt dem Ensemble Celine Dions Titanic-Beitrag „My heart will go on“: Auf dem zur einen Seite offenen Drehbühnenbug (Bühnenbild: Bettina Köpp) wird Hein in Erinnerung an Kate Winslet zur Gallionsfigur. Aber Regisseurin Klömpges ist auch bei den anderen 29 Liedern von Choreographie bis Gesang alles gelungen. In den Zwischenräumen muss die rudimentäre Rahmenhandlung vorangetrieben werden. Da geraten manche Witzchen schon mal etwas aufgesetzt und platt. Das allerdings ist verzeihlich, hat man es doch mit Seeleuten zu tun. Und die spinnen bekanntlich. Meist sogar eine beträchtliche Menge Seemannsgarn. Liv Heidbüchel

noch bis zum 30. Juli,dienstags bis samstags 20 Uhr, sonntags 19 Uhr, Schmidts Theater

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