piwik no script img

FU-Studie: SDS war die erste „Neue Linke“

■ Der Studentenverband ist Vorreiter sozialliberaler Ostpolitik / SDS übte scharfe Kritik am SED-Regime

Wilmersdorf. Einige Kader des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes sind die ersten Vertreter der „Neuen Linken“ in der Bundesrepublik. Das ist das Ergebnis von FU -Wissenschaftler Peter Jahn in seiner gerade abgeschlossenen Studie Ohne Anführungsstriche. In den 60er Jahren sind diejenigen, die in der Sowjetunion und der DDR bereits die realisierte sozialistische Alternative zum westlichen Kapitalismus gesehen haben, im SDS deutlich in der Minderheit.

Obwohl dem SDS die intensiven Kontakte zur DDR böse Verdächtigungen in der Bundesrepublik einbringen, verstehen es die organisierten StudentInnen, die Anerkennung eines zweiten deutschen Staates mit einer scharfen Kritik an dem undemokratischen und repressiven SED-Regime zu verbinden. Die Kontakte zum deutschen Realsozialismus werden unter einer CDU-FDP-Koalition nicht zuletzt in der Erwartung betrieben, den Blick auf die DDR und Osteuropa zu „normalisieren“. Der SDS hofft, darüber den Antikommunismus in der Bundesrepublik abbauen zu können.

Die politische Elite hat ihre Forderung nach „Wiedervereinigung“ Ende der 50er Jahre geändert, nachdem die Bundesrepublik in das westliche Bündnissystem eingegliedert wurde und die SPD gegen die Adenauer-Regierung erfolglos blieb. Weil der SDS die Zweistaatlichkeit akzeptiert, trennt sich die SPD von dem Verband und fällt einen Unvereinbarkeitsbeschluß. Die Sozis wollen so den konservativen Hetzern entgehen, die behaupten, daß die Sozialdemokraten den Wohlstand durch politische Nähe zur Planwirtschaft und zum Kommunismus gefährden würden.

Ende der 60er Jahre konzentrieren sich die revoltierenden StudentInnen verstärkt auf den Kampf in der Dritten Welt. Die Deutschlandpolitik rückt immer mehr in den Hintergrund.

diak

Das „Zentralinstitut für sozialwissenschaftliche Forschung“ wird einen kompletten Forschungsbericht über den SDS Ende des Jahres fertiggestellt haben und als populärwissenschaftliches Buch sowie als ausführliche wissenschaftliche Arbeit veröffentlichen. Das Archiv mit den Akten des SDS-Bundesvorstandes und des Kommunistischen Bundes Westdeutschland kann von jedem genutzt werden, der ein Forschungsinteresse hat.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen