Analyse: FDP vor der Pleite?
■ Dumm gelaufen: Liberale haben ein Loch von 12,4 Millionen in ihrer Kasse
Als die Bundestagspräsidentin in der letzten Woche den Parteienfinanzierungsbericht veröffentlichte, machte sie bereits „bedenkliche Tendenzen“ bei der FDP aus. Die Liberalen hatten wegen ihres schlechten Abschneidens im Bundestagswahljahr 1994 eine Halbierung ihres Reinvermögens auf 29,5 Millionen Mark hinnehmen müssen, ein Jahr später sank ihre Mitgliederzahl um acht Prozent auf 80.431. Die FDP konnte ihre Personal- und Verwaltungsausgaben aus eigenen Beiträgen und Spenden nicht mehr bestreiten.
Nur eine Woche später sieht die Lage der FDP höchst bedenklich aus. Die Grünen hegen bereits den Verdacht, daß die Partei „nach der Bundestagswahl in Konkurs gehen wird“. Den Liberalen werden womöglich demnächst 12,4 Millionen Mark in der Kasse fehlen. Bei einem Vermögensstand von 22 Millionen (Ende 1996) ist das keine gute Voraussetzung, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu starten.
Das Verwaltungsgericht Köln hat der FDP die 12,4 Millionen Mark aus der staatlichen Parteienfinanzierung abgesprochen, weil ihr Schatzmeister Hermann Otto Solms im Jahr 1996 geschlafen hatte. Solms hatte versäumt, zusätzlich zu der von ihr beantragten Abschlagszahlung fristgemäß auch einen gesetzlich vorgeschriebenen zweiten Antrag auf Festsetzung der Auszahlung zu stellen. Kleineren Parteien wie den „Republikanern“ und den Grauen Panthern war in gleichgelagerten Fällen das Geld nicht ausgezahlt worden. Sie haben geklagt und können sich nun, nach dem Richterspruch, über zusätzliche Gelder aus der Parteienfinanzierung freuen. Die FDP hingegen muß dem 10. Dezember entgegenbangen. Dann will das Verwaltungsgericht entscheiden, ob die Bundestagsverwaltung die 12,4 Millionen Mark „vorläufig“ von ihnen zurückfordern muß. Die Richter werden womöglich anordnen, daß die künftigen Abschlagszahlungen von vierteljährlich 2,5 Millionen Mark gestoppt werden, um die Summe wieder einzutreiben.
Die FDP wie die beklagte Bundestagsverwaltung haben bereits gegen die Aberkennung der 12,4 Millionen Mark Rechtsmittel eingelegt. Die Bundestagsverwaltung meint nach wie vor, richtig entschieden zu haben. Das sehen zumindest die Grünen anders. Die Bundestagspräsidentin habe „eindeutig eine Partei gesetzwidrig bevorzugt“.
Deren Verwaltung hat auf Grundlage eines Rechtsgutachtens entschieden. Danach gebe es keinen Zweifel, daß der FDP-Antrag „mißverständlich und für verschiedene Auffassungen offen“ sei. Die Anwälte der Kläger halten das jedoch für ein klassisches Gefälligkeitsgutachten. Der Gutachter vertrat jetzt den Bundestag vor dem Verwaltungsgericht. Ein Unterabteilungsleiter der Bundestagsverwaltung half in einem Schreiben an Solms sogar argumentativ nach. Solms habe die Auszahlung zwar termingerecht beantragen wollen, dies aber nicht klar zum Ausdruck gebracht. Auf solche Hilfestellung mußten die anderen Parteien verzichten. Mit Spannung wird nun erwartet, ob die Bundestagspräsidentin die Dezember-Rate an die FDP stoppen wird. Dieter Rulff
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