■ Querspalte: FDP, mon amour
Liebesentzug tut auf Dauer nicht gut. Man wird irgendwann empfänglich, selbst für kleinste Gesten. Zum Beispiel die Berliner FDP. 2,5 Prozent bei der letzten Wahl, 2.700 Mitglieder mit der Sinkgeschwindigkeit der Titanic. Niemand braucht sie, niemand vermißt sie. Es ist, als wären die Hauptstadt-Liberalen schon vor langer, langer Zeit untergegangen.
Ein an und für sich schöner Zustand. Nur einige Studenten können es nicht dabei belassen. Sie wollen die Partei flottmachen. 1.000 von ihnen wollen an Bord gehen, 3.000 sollen es bis Ende Januar sein.
Andere bekämen es da mit der Angst. Nicht aber die FDP. Verständlich. Denn wer will heutzutage noch zur F.D.P.? Es können eigentlich nur Verrückte sein. Oder Studenten. Eben Berliner Studenten. Der Chef der Spree-FDP war entzückt. Soviel Zuspruch, soviel Zuneigung. Das hatte er schon lange nicht mehr erlebt. Höchstpersönlich eilte er in die Universität und versprach: Jeder Aufnahmeantrag wird seriös geprüft. Die Studenten glühten vor Freude. Rot erstrahlten ihre Wangen im trüben Licht des Seminarraums. Das war verständlich. Professoren übersehen sie täglich. Aber eben kein Berliner FDP-Chef! Manche wurden ganz wagemutig: „Wir werden die FDP übernehmen!“ Das sagten die, die erst noch lernen müssen, das man manchmal lieber schweigt. Aber sie haben ja noch Zeit. Denn sie wollen ja lernen. In der FDP. An der Basis derselben wurde es unruhig. Umarmen, gerne, bitte schön, dachte sich mancher Ortsvorsitzender. Aber doch nicht gleich erdrücken.
Andere hätten sich gerne erdrücken lassen. Nur sind sie leider in der falschen Partei. So schickten die Grünen eine beleidigte Presseerklärung an die Studenten. Einer wurde gar vor dem Seminarraum der eifrigen Studentengruppe gesichtet. In der Hand hielt er ein paar grüne Eintrittsformulare. Er stand da ziemlich allein, vor dem Seminarraum in der Technischen Universität. Liebesentzug kann manchmal ganz schön hart sein. Severin Weiland
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