■ Dokumentation: „FDP ist überflüssig“
Der 59jährige Horst-Jürgen Lahmann war von 1975-83 Fraktionsvorsitzender der FDP in der Bremer Bürgerschaft und von 74-84 zudem FDP-Landesvorsitzender. Unter seiner Führung flog die Partei in Folge der FDP-Spendenaffäre 1983 aus der Bürgerschaft. Am Montag dieser Woche ist Lahmann aus seiner Partei ausgetreten.
Letzter Anlaß war für Lahmann eine Bürgerschaftsdebatte über seine Berufung zum Bremer Senats-Beauftragten in Berlin. Der FDP-Fraktionschef Heinrich Welke hatte am 24.11.94 eine Beteiligung seiner Partei an der Berufung von Lahmann heftig bestritten und gesagt: „Ich sehe darin den Versuch, damals einen Präzedenzfall zu schaffen, um die FDP bei passender Gelegenheit diskreditieren zu können. Die FDP ist das Opfer einer Intrige!“ Wir dokumentieren Lahmanns Austrittsschreiben in Auszügen:
Stets bin ich überzeugt gewesen, daß die Liberalen wenigstens in der FDP die Mehrheit heben. Das ist heute offenbar anders. Die Bremer FDP ist anscheinend weder bereit noch in der Lage, die liberalen Kräfte zu bündeln. Stattdessen dümpelt sie ohne erkennbares Leitbild, ohne gemeinsame Ideen, unkoordiniert, eigenbrötlerisch und instinktlos vor sich hin. Fast schlimmer noch: die Langeweile und die Einfalt gehen mir schlicht auf die Nerven. Solange ich Parteimitglied im Landesverband Bremen bin, reden die sogenannten Sprecher auch in meinem Namen. Das will ich mir einfach nicht mehr zumuten.
Maßgebende Leute der Bremer FDP haben die Partei zum bloßen Trouble-maker herabsinken lassen; nicht hanseatisch, sondern spießbürgerlich, nicht liberal, sondern beliebig, nicht geradlinig, sondern unzuverlässig: Es ist verständlich, daß viele die FDP wegen ihrer Ziel- und Stillosigkeit in dieser Form für überflüssig halten. Zwar tragen nur wenige die Verantwortung für das derzeitige Erscheinungsbild, aber sie richten großen Schaden an. Ich jedenfalls will ein Liberaler sein und bleiben. Darum gehe ich jetzt – und verordne mir parteipolitisch eine Denkpause. H.-J. Lahmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen