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FDGB macht Dampf

■ DDR-Gewerkschaftsbund verurteilt Wirtschaftspolitik der Regierung als „Generalangriff auf Mitbestimmungsrechte“

Berlin (ap/taz) - DDR-Gewerkschaftsvertreter haben Vorstellungen der Regierung Modrow zu marktwirtschaftlichen Reformen den Kampf angesagt. Wie die DDR-Nachrichtenagentur 'adn‘ berichtete, hätten Gewerkschafter am Freitag bei einem Gespräch mit Wirtschaftsministerin Christa Luft moniert, daß die Aussagen der Regierung zur sozialen Sicherheit zu allgemein seien. In einer Gewerkschaftserklärung, die im Anschluß an die Beratung der Agentur übermittelt wurde, heiße es: „Die bisherigen Vorstellungen zur Wirtschaftsreform sind ein Generalangriff auf die Mitbestimmungsrechte der Betriebsgewerkschaftsorganisationen und ihrer zuständigen Leitungen. Wir werden das nicht kampflos hinnehmen.“

Allein der Zusatz „sozial“ zum Begriff Marktwirtschaft genüge nicht, zitierte die Agentur den Vorsitzenden des Vorbereitungskomitees für den am Mittwoch beginnenden außerordentlichen Kongreß des DDR-Gewerkschaftsbundes FDGB Werner Peplowski. Das Grundrecht auf Arbeit müsse gesichert bleiben.

In seiner Erklärung kritisiert das Komitee laut 'adn‘ außerdem: „Der Generalangriff auf die gewerkschaftlichen Rechte hat bereits mit der Verordnung der Regierung zu Joint -ventures begonnen.“ Entgegen fester Zusagen habe die Regierung die gewerkschaftlichen Mitbestimmungsrechte nicht in ihren Beschluß aufgenommen. Die Gewerkschaften forderten unter anderem „die vollständige Offenlegung der künftigen Strukturentwicklungen, der geplanten Betriebsstillegungen, der künftigen Entwicklung der Eigentumsformen sowie der realen Entwicklung der Arbeitslosigkeit“, ferner „Arbeitsbeschaffungs- und Umschulungsprogramme, Verkürzung der Tages-, Wochen- und Lebensarbeitszeit sowie eine Vorruhestandsregelung, um Arbeitslosigkeit verhindern zu können“, schrieb die Agentur.

Wie von Beobachtern vermutet wird, ist die plötzlich verschärfte Gangart der amtierenden FDGB-Führung wenige Tage vor Kongreßbeginn als deutliches Signal zu verstehen. Eine radikale Umstrukturierung des FDGB steht an. Damit und mit der notwendigen Demokratisierung, auch der Industrie- und Einzelgewerkschaften, werden sich die Delegierten zu befassen haben.

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