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Exzellente Beziehungen-betr.: "Warum jubelten die Palästinenser Saddam Hussein zu?"

Betr.: „Warum jubelten die Palästinenser Saddam Hussein zu?“ taz-Gespräch mit B.A. Sharif, taz vom 1.3.91

Nicht alles ist falsch, was Herr Sharif sagt. Einige Allgemeinplätze stimmen oder mögen stimmen. Die Heuchelei der westlichen Großmächte — klare Sache. Ebenso die Tatsache der Bombardierung der irakischen Zivilbevölkerung. Aber nicht das ist herausragend an diesem Gespräch, schlimm ist der Diskussionsstil, die Art der Rhetorik und letztlich die inhaltliche Grundkonzeption, die in diesem Gespräch zum Ausdruck kommt.

Er hält es für nötig, („wir wollen doch genau sein“), klarzustellen, daß Opposition gegen Saddam nicht gehängt, sondern erschossen wird. Na bitte! Er erklärt, daß seiner Meinung nach die PLO mit jedem Despoten des arabischen Raums und des Iran, je nach aktueller Lage, „exzellente Beziehungen“ habe. Die kurdischen Organisationen dieser Region, ja, alle demokratisch orientierten Kräfte dieser Region sind offensichtlich für Herrn Sharif zweitrangig.

Vor allem aber konnte Herr Sharif es nicht unterlassen, folgende allgemeinphilosophische Aussage über das Verhältnis von „Deutschen und Juden“ von sich zugeben:

„Ein Deutscher würde niemals einen Juden schlagen, und wenn der ihm ins Gesicht gepißt hätte.“

Es handelt sich hier nicht nur um einen Herrn Schönhuber oder Herrn Fellner würdigen bösartigen-flotten Spruch (die würden sich — öffentlich wenigstens — sicher etwas vornehmer ausdrücken), das wäre das Wenigste. Es handelt sich im Grunde um ein KOMPLETTES WELTBILD, daß so recht in die deutsch-nationale Medienlandschaft paßt. Die Deutschen lassen sich angeblich von „den Juden“ alles gefallen.

Daß Neonazis (etwa aus der Wehrsportgruppe Hoffmann) schon durch Mord bewiesen haben, daß ein Teil des volksverhetzerischen Bildes absolut unwahr ist, muß zum ersten Mal festgestellt werden. Daß auch das offizielle Bonn keinerlei Rücksicht auf die berechtigten Gefühle der Opfer des Völkermordes nimmt, ist spätestens seit Bitburg nachgewiesene Tatsache. Daß ein erheblicher Teil derjenigen, die vorgeben, kritiklose Bewunderer Israels zu sein (angefangen von Herrn Filbinger), ganz und gar keine prinzipiellen Feinde des Antisemitismus sind, scheint mir zumindest auch erwiesen.

Die Vorstellung, daß ein Jude einem Deutschen ins Gesicht pißt, also demütigt, ist eine Verkehrung der gesamten geschichtlichen Tatsachen. Gleichzeitig verallgemeinernd direkt oder indirekt den Wunsch zu wecken, daß „ein Deutscher“ sich endlich trauen soll, „einen Juden“ zu schlagen, — das ist eine Bankrotterklärung eines einflußreichen Sprechers der PLO. Es ist Ausdruck der Geisteshaltung eines charakterlosen Nationalisten, der sich von überallher prinzipienlos Unterstützung holt und dabei ohne Skrupel ausgerechnet an die antisemitischen Instinkte in der deutschen Bevölkerung appelliert.

Das palästinensische Volk hat wahrhaft andere Sprecher ihrer berechtigten Interessen verdient. Benjamin Ortmeyer, Frankfurt

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