Extremismusbekämpfung: Opfer linker Gewalt gesucht
Die Regierung will Opfer linker Gewalt unterstützen. Doch es scheint kaum welche zu geben. Infolge rechtsextremer Straftaten liegen hingegen bereits 71 Anträge vor.
BERLIN taz | Seit Anfang des Jahres gibt es auf dem Formular des Bundesamts für Justiz in Bonn mehrere Kästchen. Eines für Opfer eines rechtsextremistischen oder antisemitischen Übergriffs. Und je eines für Opfer eines islamistisch oder linksextremistisch motivierten Übergriffs.
Mit dem Formular können Opfer extremistischer Gewalt Soforthilfe beantragen. 1 Million Euro sind hierfür im Haushalt in diesem Jahr vorgesehen. Das sind 700.000 Euro mehr als 2009. Dafür hat die schwarz-gelbe Bundesregierung den Kreis der Antragsberechtigten ausgeweitet: Früher konnten nur Opfer rechter Gewalt den Antrag auf Härteleistungen stellen, jetzt eben auch Opfer linksextremer oder islamistischer Gewalt. Das entspricht dem generellen Willen der schwarz-gelben Bundesregierung, alle Formen des Extremismus gleichermaßen zu bekämpfen.
Ein Brief von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) an den Vorsitzenden des Rechtsausschusses, Siegfried Kauder (CDU), lässt allerdings stark an dem Schwenk der Bundesregierung zweifeln. Laut dem Schreiben, das der taz vorliegt, gab es in den ersten acht Monaten bereits 71 Anträge von Opfern rechtsextremistischer Straftaten (2009: 125). Anträge von "Opfern sonstiger extremistischer Straftaten" gab es demnach dagegen bislang noch nicht.
"Die Gleichsetzung von Rechtsextremismus und Linksextremismus durch die Bundesregierung ist reine Symbolpolitik und geht an der Wirklichkeit vorbei", folgert der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy aus den Zahlen. Auch Politiker von Grünen und Linkspartei kritisieren seit Monaten den Ansatz der Regierung zur Extremismusbekämpfung. Oppositionspolitiker sind der Ansicht, dass durch die Regierungslinie die braune Gefahr verharmlost werden könnte.
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