portrait : Exringmeister vor dem Knock-out
Dennis Hastert hat schon ganz andere Kämpfe ausgestanden. Doch als der 64-jährige Ex-Ringer Dienstagmorgen aufwachte, musste er feststellen, dass seine Republikaner munter gegen ihn meuterten. Allen voran die „Hauszeitung“, die konservative Washington Times, die den bulligen Mann aus dem Mais-Staat Illinois zum Rücktritt aufforderte. Im seit voriger Woche tobenden Skandal um einen Abgeordneten aus Florida, der über die Kongress-Homepage wiederholt SMS sexuellen Inhalts an Teenager gesendet haben soll, habe der republikanische Sprecher des US-Repräsentantenhauses kläglich versagt. Abgeordnete befürchten, der SMS-Skandal werde werteorientierte Wähler bei den Kongresswahlen verprellen. Selbst sein ansonsten loyaler Vize John Boehner plauderte im Radio aus, er habe Hastert schon vor Monaten auf die SMS-Sache angesprochen. Der habe damals versichert, alles sei wieder okay. Nun sieht es so aus, als ob Hastert die Sache seit 2003 unter den Tisch gekehrt habe.
Höchst pikant für einen Pädagogen, der angibt, sich besonders für die US-Jugend zu engagieren. Denn bis er 1986 in den Kongress gewählt wurde, diente Hastert in seiner Heimatregion als Highschool-Lehrer. 1976 wurde er zum erfolgreichsten Jugendtrainer von Illinois ernannt und erhielt einen Ehrenplatz in der Ringer Hall of Fame. Den will ihm keiner streitig machen. Aber seine politische Karriere könnte nun schneller vorbei sein, als Hastert es sich noch vor vier Monaten ausmalte. Da feierten ihn die Republikaner als den am längsten amtierenden republikanischen Sprecher. Jener Boehner, der jetzt in einem Akt der Selbstrettung mit seiner Skandalwarnung abgeblitzt sein will, rühmte ihn damals: „Er ist großartig und war ein phantastischer Partner für mich.“
Hastert, der meint zu wissen, wie man einen Gegner geschickt auf die Matte wirft und noch heute Ringerwettbewerben beiwohnt, machte sich an die Arbeit. Um seine meuternde Bande wieder in den Griff zu kriegen, rief er kurzerhand alle konservativen Talk-Shows des Landes an. Allen voran den berühmt-berüchtigten erzkonservativen Talkmaster Rush Limbaugh. Der fragte ihn ohne Umschweife, wann er denn nun zurücktreten werde. Hastert antworte: „Well, yeah, das mach ich nicht.“ Limbaugh insistierte und sagte, es gelänge den Demokraten aber gerade, den Kongress als jugendgefährdend darzustellen. Hastert antwortete: „Yeah“. Während er da so einsilbig seine Karriere zu retten versuchte, sprang ihm US-Präsident George Bush zur Seite. Der sagte in die Kameras: „Hastert ist ein Vater, ein Lehrer, ein Trainer, der sich um die Jugend dieses Landes sorgt.“ Yeah.
ADRIENNE WOLTERSDORF