Expertin über Nahost-Konferenz: "Eine neue Ära des Engagements"
Warum die USA sich jetzt auf der Annapolis-Konferenz mit dem Friedensprozess in Nahost befassen, erklärt Tamara Cofman Wittes vom Saban Center for Middle East Policy.
taz: Frau Cofman Wittes, nach allem was bislang nicht passiert ist - muss man die Konferenz von Annapolis überhaupt ernst nehmen?
Dr. Tamara Cofman Wittes, ist Dirketorin des Middle East Democracy and Development Projects beim Saban Center for Middle East Policy in der Washingtoner Denkfabrik Brookings.
Tamara Cofman Wittes: Annapolis ist sehr wichtig, aber in einem symbolischen Sinne. Wir dürfen keine substanziellen Ergebnisse erwarten, aber Annapolis markiert das Ende einer sieben jährigen Phase ohne US-Friedensdiplomatie. Und Annapolis markiert den Beginn einer neuen Ära des Engagements mit ungekannter internationaler Unterstützung. Neu ist, dass diesmal einige arabische Länder mit am Tisch sitzen werden. Im Jahr 2000, als es zum letzten mal eine amerikanische Nahostinitiative gab, waren die arabischen Staaten nicht von der Partie.
Das hört sich so an, als besitze die USA in der Region noch eine irgendwie geartete Glaubwürdigkeit. Wo sehen Sie die?
Die USA sind genau deshalb glaubwürdig, weil sie so hinter Israel stehen. Es waren schließlich die arabischen Staaten, die die USA gedrängt haben, die führende Rolle zu übernehmen. Denn nur die USA können die Israelis zu Kompromissen bewegen. Auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hofft auf die USA. Er fühlt sich vom wachsenden Radikalismus unter den Palästinensern bedroht. Die relevanten Akteure in diesem Prozess haben gar kein Problem mit den USA, obgleich sie frustriert darüber sind, dass sich die USA so lange nicht bewegt haben.
Das macht es um so schwerer nun anzunehmen, dass sich die Administration von US-Präsident George W. Bush plötzlich für den palästinensisch-israelischen Konflikt interessiert. Geht es nicht eigentlich darum, die Region gegen den Iran in Stellung zu bringen?
Für die USA ist es natürlich vorteilhaft, einen Friedensprozess vorweisen zu können. Das ebnet den Weg für die US-arabische Kooperation, zum Beispiel im Irak. Und es hilft dabei, die radikalen Kräfte zu schwächen, vor allem diejenigen die sagen, die USA leiste keinerlei positiven Beitrag in der Gesamtregion. Ein Friedensprozess wäre ein wichtiges Gegengewicht gegen solche Hetzte. Gerade solche Rhetorik hat sich nämlich während des letzten Jahres in der Region sehr verstärkt. Alle, die am Dienstag nach Annapolis kommen werden fühlen sich von diesen radikalen Gruppen bedroht.
Und viele dieser Radikalen werden vom Iran aktiv unterstützt.
Es geht der USA um all jene Extremisten die versuchen, die Unzufriedenheit in der arabischen Welt zu ihren Gunsten auszunutzen. Deswegen kann dieser Friedensprozess, auch wenn er keine positiven Ergebnisse bringt, allein schon deshalb eine wichtige Rolle spielen.
Eine Radikalisierung in der Region ist doch schon seit Jahren zu beobachten, spätestens sichtbar am 11. September 2001. Es hätte für Bush mehr als einen Grund geben müssen, bereits vor Jahren einen Friedensprozess anzugehen. Oder glauben Sie im Ernst, er hätte plötzlich den Wert von Diplomatie verstanden?
Der Bush-Administration wurde es leider erst nach dem Libanon-Krieg 2006 so richtig klar, wie sich die Gewichte in der Region verschoben haben. Erst Libanon zeigte ihnen, dass sich Iran, Syrien, HAMAS, Hisbollah und die schiitischen Milizen im Irak alle auf ein Ziel verständigen können: Nämlich auf den Widerstand gegen den Westen und gegen den Status quo in der arabischen Welt. Die Administration begriff, dass diese Gruppen die gesamte Region destabilisieren und zum Beispiel den demokratischen Prozess im Libanon bedrohen. Auch die arabischen Staaten wollen diese Bedrohung nicht hinnehmen und da treffen sich die Interessen. Der Friedensprozess soll nun als eine Art Kitt dienen, der diese neue Koalition im Nahen Osten zusammenhält. Er soll alle dazu bringen, miteinander zu arbeiten. In diesem Sinne, ja, hat die USA über den Friedensprozess an sich hinausgehende Ziele.
Das Ganze erinnert eher an die klassische Nahost-Politk der USA in den 70er Jahren, als es ihnen darum ging, Ägypten aus dem Einflußbereich der Sowjetunion herauszulösen. Heute geht es gegen die Achse des Bösen. Welche diplomatischen Überraschungen wird die Bush-Administration denn nun aus dem Ärmel ziehen, um ihre Strategie anzuwenden?
Noch ist unklar, wieviel Energie die Bush-Administration in den Prozess überhaupt reinstecken will. Wir wissen nicht, wie groß das Diplomatie-Team sein wird, wie oft Außenministerin Condoleezza Rice in die Region fahren wird und ob es einen offiziellen US-Mediator geben wird. Ein entscheidendes Instrument im Friedenspuzzle wird aber auch sein, wie die internationale ökonomische und politische Unterstützung der palästinensischen Verwaltung sein wird. Das wird teuer und verschlingt viele internationale Ressourcen. Wenn da nichts passiert, wird es für die Israelis aber fast unmöglich, Kompromisse bei der Siedlungsfrage zu machen. Ich hoffe daher, dass sich die US-Diplomatie auch um diesen Aspekt kümmert und sich nicht nur auf die palästinensisch-israelischen Beziehungen konzentriert.
Sie sprechen immer von den palästinensischen Positionen, als gäbe es da nicht die Hamas. Soll der Frieden etwa ohne Gaza gemacht werden?
Die HAMAS zu isolieren ist keine Antwort auf die Herausforderung, die sie darstellt. HAMAS selber hat aber null Interesse gezeigt, sich am Friedensprozess zu beteiligen, daher sehe ich auch nicht, wie ihre Anwesenheit in Annapolis ein Gewinn sein könnte. HAMAS ist strikt gegen eine Zwei-Staaten-Lösung und verfolgt weiterhin ihr Ziel einer Zerstörung Israels. HAMAS wird also kaum konstruktiv mitwirken wollen. Die Frage ist daher eher, wie Abbas einen Friedensplan - sollte es einen geben - in den palästinensischen Gebieten umsetzen könnte.
Was muss an Dienstag Abend im Annapolis-Kommuniqué stehen, damit sich ihr Optimismus rechtfertigt?
Entscheidend ist, ob die Palästinenser und die Israelis eine gemeinsame Erklärung verabschieden. Sie arbeiten noch dran. Vielleicht gibt es also ein gemeinsames Papier. Das wäre ein Start.
INTERVIEW: ADRIENNE WOLTERSDORF
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