: Experten fordern zentrales Krebsregister
■ DDR-Krebsregister als Vorbild / Schwierigkeiten jedoch durch Datenschutzprobleme / Krebs-Forscher tagen in Hamburg
Hamburg (dpa) - Mit etwa 160.000 Opfern im Jahr ist Krebs - nach Herz- und Kreislaufkrankheiten - die häufigste Todesursache in der BRD. Jährlich erkranken rund 270.000 Menschen an bösartigen Tumoren, besonders in den Bereichen Brust, Bronchien, Lunge und Darm.
Obwohl Wissenschaftler schon lange intensiv nach den Ursachen suchen, stehen sie weiterhin vor vielen Rätseln. Ihre Erfahrungen und Erkenntnisse wollen Experten jetzt auf zwei Großveranstaltungen in Hamburg austauschen: Dem Internationalen Krebsregisterkongreß (13. bis 15. August) und dem daran anschließenden 15.Welt-Krebs-Kongreß (16. bis 22.August).
Die Forschung geht heute davon aus, daß Krebs eine genetische Grundlage hat. Voraussetzung für eine Erkrankung sind Veränderungen der Struktur und der Funktion von Genen in Zellen außerhalb der Keimbahn. Diese Veränderungen führen zu tiefgreifenden Störungen im Wachstums- und Sozialverhalten der Zellen. Doch immer noch sind die Vorgänge, die durch die Veränderungen von Erbanlagen Krebs ermöglichen, weitgehend ungeklärt.
Auch die Identifizierung von Risikofaktoren, Grundlage für eine wirkungsvolle Vorbeugung, ist äußerst schwierig. Nur bei wenigen Krebsformen sind solche Faktoren eindeutig bekannt: so zum Beispiel das Sonnenlicht beim Hautkrebs oder das Rauchen beim Lungenkrebs. Bei Brust-, Magen- oder Prostatakrebs zum Beispiel sind die eigentlichen Ursachen aber noch unklar.
Die unzureichenden Daten über Krebserkrankungen kommen als weitere Erschwernis hinzu. Die Deutsche Krebshilfe fordert daher die Einrichtung eines einheitlichen Krebsregisters. Eine flächendeckende Sammlung epidemiologischer Daten verspreche wichtige Erkenntnisse über die Krankheitsursachen, erklärte der Geschäftsführer der Organisation, Achim Ebert. „Hochrechnungen von regionalen Registern, wie sie in der Bundesrepublik durchgeführt werden, müssen zu Fehlschlüssen führen.“
Während in der Bundesrepublik nur wenige regionale Register - das umfangreichste im Saarland - auf freiwilliger Basis geführt werden, erfaßt die DDR seit Jahrzehnten landesweit die Anzahl und Formen aller Krebserkrankungen. Diagnose und Therapie jedes namentlich genannten Patienten werden über fünf Jahre im nationalen Krebsregister in Ost-Berlin geführt, wobei Meldepflicht besteht. Zwar seien „keine vernünftigen Auswertungen“ erfolgt, so bemängeln viele Fachleute, aber die Datensammlung selbst bezeichnen sie als hervorragend.
Doch die Fortführung dieses Registers ist fraglich. „Hier gibt es datenschutzrechtliche Probleme“, sagte Bundesgesundheitsministerin Ursula Lehr (CDU) vor wenigen Wochen auf dem ersten Deutschen Ärztekongreß in Dresden. Anonymisierte Daten in vielen regionalen Registern hält Prof.Bernhard Kornhuber von der Deutschen Krebsgesellschaft in Frankfurt jedoch für wertlos. „Es kann zum Beispiel bei der Behandlung eines Patienten in verschiedenen Bundesländern zu Dopplungen kommmen“, so der Mediziner. Zentrale Register wie in der DDR oder Dänemark seien „zwingend“. Mit ihrer Hilfe könnten zum Beispiel regionale Häufigkeiten von bestimmten Krebserkrankungen wie Leukämie besser erklärt und Behandlungsmethoden verbessert werden. „Man sollte von Seiten des Datenschutzes nicht überlegen, ein solches Register zu verhindern, sondern es zugänglich machen.“
Silvia Kusidlo
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