: Ex-Besetzer sollen keine Verträge bekommen
■ Referent des Bausenators bekräftigte harte Linie/ Räumung der Pfarrstraße war vermutlich rechtswidrig
Berlin. Nach Angaben des persönlichen Referenten von Bausenator Nagel, Günter Fuderholz, werden die Besetzer der geräumten Häuser in der Mainzer, Pfarr- und Cotheniusstraße in Ost-Berlin keine Verträge mehr bekommen. »Die haben ihre Chance verwirkt, wer es soweit kommen läßt, für den ist es vorbei«, bekräftigte Fuderholz die harte Linie des Senats gestern abend nach einer Sitzung mit Vertretern der Wohnungsbaugesellschaften von Friedrichshain, Lichtenberg und Prenzlauer Berg. Fuderholz zufolge waren die geräumten Häuser auf der Sitzung »überhaupt« kein Thema mehr. Es sei lediglich darum gegangen, auszuloten, wie der Stand der Verhandlungen in den übrigen besetzten Häusern sei. Das Ergebnis: Für ein Haus sei ein Vertrag abgeschlossen worden, 30 weitere seien in Vorbereitung. Die Adressen nannte Fuderholz jedoch nicht.
Der taz liegen inzwischen Erkenntnisse vor, daß die Wohnungsbaugesellschaft Lichtenberg überhaupt nicht befugt war, einen Strafantrag für die Räumung der Pfarrstraße 112 zu stellen. Nach Angaben einer Besetzerin gehört die Pfarrstraße 112 nämlich nicht der Wohnungsbaugesellschaft, sondern einer 77jährigen Frau, die vom SED-Staat enteignet worden sei und nach der Wende einen Antrag auf RÜckerstattung ihres Eigentums gestellt habe. Die Besetzerin, die eigenen Angaben zufolge in Kontakt mit der Eigentümerin steht, wies daraufhin, daß die alte Dame kein Interesse an der Räumung des Hauses gehabt habe. Sie habe sich vielmehr dafür ausgesprochen, daß die Besetzer in dem Haus bleiben können und sie gedenke, jetzt gegen das rechtswidrige Vorgehen der Wohnungsbaugesellschaft vorzugehen. Die Eigentümerin konnte von der taz nicht befragt werden. Die Besetzerin weigerte sich, die alte Dame zu benennen, um sie der Presse »nicht zum Fraß vorzuwerfen«. Der Justitiar der Wohnungsbaugesellschaft Lichtenberg, Hermann, bestätigte gegenüber der taz, daß es eine alte Eigentümerin gibt. Er vertrat jedoch die Auffassung, daß das Haus solange der Wohnungsbaugesellschaft gehöre, bis es der alten Dame wieder übertragen worden sei. Die Räumung sei somit rechtmäßig. Das wird von einem Westberliner Juristen allerdings ganz anders gesehen: Wenn die Frau tatsächlich, wie behauptet, die Rückerstattung des Hauses beantragt hat, habe die Wohnungsbaugesellschaft kein Verfügungsrecht mehr über das Gebäude. plu/anbau
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