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Archiv-Artikel

„Evolution, nicht Revolution“

UNTER STROM Berlin möchte europäische Hauptstadt der E-Mobilität werden

Jeden Montag, um sieben Uhr in der Früh, biegt das Müllauto um die Ecke. Der Motor röhrt, und dann startet auch noch die Müllpresse. Die Nacht ist vorbei. Doch Rettung ist nahe: Die Berliner Stadtreinigung hat ein neues Sperrmüllauto mit Hybrid-Antrieb, es kann also sowohl mit Verbrennungsmotor als auch elektrisch fahren. Die Sperrmüllpresse arbeitet sogar rein elektrisch: Wo sonst ein lärmender Diesel für das Abfallzerkleinern zuständig ist, kommen flüsterleise Elektromotoren zum Einsatz. „Das sind die eigentlichen Stärken der E-Mobilität“, erklärt Gernot Lobenberg, Leiter der Agentur für Elektromobilität „eMO“.

Leider ist der Sperrmüllwagen noch ein Einzelstück, ein Prototyp. Seine Erprobung ist eines von rund 30 „Schaufensterprojekten Elektromobilität“ in Berlin und Brandenburg, die vom Bund mit insgesamt rund 40 Millionen Euro gefördert werden. Dass elektrische Versorgungsfahrzeuge bald zum Stadtbild gehören werden, ist indes für Lobenberg gewiss: „Der Systemwechsel wird kommen.“ 2050 werde kein Fahrzeug mehr auf deutschen Straßen zugelassen werden, das ausschließlich über einen Verbrennungsmotor verfügt. „Aber es ist eine Evolution, keine Revolution.“

Die eMO ist für die Vernetzung und die Koordination von Akteuren aus Industrie, Wissenschaft und Verwaltung zuständig und betreibt Marketing für die Region Berlin-Brandenburg. In der Großstadt ist der Traum vom emissionsfreien Verkehr besonders attraktiv. Und besonders leicht zu realisieren. Denn die Reichweite der elektrisch betriebenen Fahrzeuge ist aufgrund der beschränkten Batteriekapazitäten gering. Elektroautos fahren meist nur maximal 150 Kilometer weit, dann müssen sie an die Steckdose. Dafür sind sie im Betrieb unschlagbar preiswert. Für Pendler sind sie attraktiv, wie auch für das boomende Car-Sharing: Jeder Anbieter hat inzwischen Elektroautos in seine Flotte aufgenommen. Multicity setzt ausschließlich auf E-Mobile.

Gernot Lobenberg sieht einen Sinneswandel zum „Nutzen statt Besitzen“. Seine Prognose für die Zukunft: Großstädter werden mehr und mehr zu mobilen Stadtbürgern, die auf dasjenige Verkehrsmittel zurückgreifen, das sich gerade am besten eignet.MIRKO HEINEMANN