: Euskirchen hat seine „Hohmann-Affäre“
Der Euskirchener CDU-Stadtrat Leo Lennartz, 71, der auf dem Bundesparteitag in Leipzig als einziger offen für den hessischen CDU-Rechtsausleger Martin Hohmann Partei nahm, ist überzeugt, alles richtig gemacht zu haben. Die örtliche SPD will den „Fall Lennartz“ am 18. Dezember im Rat thematisieren
von PASCAL BEUCKER
Leo Lennartz lacht. „Ach, Sie auch noch“, sagt der 71-Jährige mit freundlicher Stimme. Der Christdemokrat reagiert mit demonstrativer Gelassenheit auf das ungewohnte Medieninteresse, das ihm sein Auftritt auf dem CDU-Bundesparteitag Anfang des Monats in Leipzig beschert hat. „Als ich von der Bühne kam, kam die Pressemeute gleich auf mich zugeschossen“, berichtet der Mann, der es als einziger Parteitagsdelegierter gewagt hatte, der Parteichefin Angela Merkel in der CDU-Affäre um den hessischen Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann öffentlich in die Parade zu fahren. Inzwischen sitzt Lennartz wieder am Schreibtisch in seiner Anwaltskanzlei in der Euskirchener Ursulinenstraße. Und er ist davon überzeugt, alles richtig gemacht zu haben.
„Soll er doch austreten“
Mit seiner Brandrede hatte der bis dahin außerhalb der Stadtgrenzen Euskirchens Unbekannte den Granden der Partei nicht nur die Show gestohlen, sondern auch gehörig die Stimmung verhagelt. Jürgen Rüttgers schimpfte: „Mit solchen Leuten will ich nicht mehr in einer Partei sein.“ Lennartz kommentiert den Wutausbruch des CDU-Landeschefs süffisant: „Wenn Herr Rüttgers nicht mit mir in einer Partei sein möchte, dann soll er doch aus der CDU austreten.“
Auch dass CDU-Landesgeneralsekretär Hans-Joachim Reck in der vergangenen Woche angekündigt hat, er werde Schritte gegen Lennartz prüfen, lässt ihn kalt: „Keulenschwingen macht jede vernünftige Diskussion kaputt.“ Nein, jemand, der 1949 in die Junge Union und 1955 in die CDU eingetreten ist, der von 1975 bis 1997 Stadtverbandschef der Euskirchener CDU war und seit nunmehr rund 28 Jahren im Stadtrat sitzt, der lässt sich nicht so einfach aus der Partei treiben.
Was er denn von den ins Rechtsradikale tendierenden Positionen hält, die Hohmann nicht nur in seiner inkriminierten Rede zum 3. Oktober artikuliert hat? Das verrät Lennartz auch auf mehrfache Nachfrage nicht. „Darüber rede ich überhaupt nicht, ich rede nur über das Verfahren“, gibt er sich zugeknöpft. Eine inhaltliche Stellungnahme würde nur vom Kern seiner Kritik ablenken, sagt er. Schließlich gehe es ihm um die Meinungsfreiheit und die Einhaltung demokratischer Verfahrensregeln.
So hatte er auch schon auf dem CDU-Parteitag argumentiert: „Es ist nicht erlaubt, jemandem wegen seiner Meinung oder einer Äußerung mit nicht rechtsstaatlichen Mitteln zu verfolgen“, kritisierte Lennartz unter erbosten Zurufen den Hohmann-Ausschluss aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Der Betroffene habe nicht die Chance eines fairen Verfahrens erhalten. „Der Ankläger, der Richter, der Urteilende und der Vollstreckende – alles lag in einer Hand.“
Durchsichtige Tarnung
Die Kritik ist nicht unbedingt von der Hand zu weisen. Allerdings fällt auf, dass sie exakt mit der Initiative „Kritische Solidarität mit Martin Hohmann“ übereinstimmt, die in überregionalen Zeitungsanzeigen gegen den drohenden Parteiausschluss des Fuldaer Rechtsauslegers Front macht. Auch in dem Aufruf der Initiative, den inzwischen nach Angaben der ausgewiesen rechtslastigen Organisatoren über 5.000 Unionsmitglieder unterschrieben haben, geht es vorgeblich nur um „die Entwicklung von innerparteilicher Demokratie und Streitkultur in den Unionsparteien“ und Mitleid erheischend um eine „zweite Chance“ für Hohmann – eine sehr durchsichtige Camouflage. Auf die Parallelität angesprochen, antwortet Lennartz nur knapp, er gehöre nicht zu den Unterzeichnern des Aufrufs.
Ist Lennartz wirklich nur der aufrechte Anwalt für Freedom & Democracy, als der er sich darzustellen versucht? Wolfgang Seeck hat seine Zweifel. Der Fraktionsvorsitzende der oppositionellen SPD kennt den christdemokratischen Kommunalpolitiker gut. Immerhin sitzt der 63-Jährige auch bereits seit 24 Jahren im Euskirchener Stadtrat und hat sich dort schon mal anhören dürfen, wie der strenggläubige Katholik die SPD als „5. Kolonne Moskaus“ diffamierte.
Man kennt sich im Stadtrat
Nein, Lennartz, der „für Kritik nicht empfänglich ist“, sei zwar kein Rechtsradikaler. Aber er gehöre „sicherlich zum rechten Rand der CDU“, so Seeck zur taz. Denn wie Hohmann könne man auch Lennartz mit Fug und Recht als katholischen „Fundamentalisten“ bezeichnen. Allerdings sei es „schwierig, ihn zu packen“. Das mag auch daran liegen, dass der Anwalt gerne einschlägige Positionen in Fragen kleidet. Zum Beispiel: „Setzt die CDU auf Schutz der ungeborenen Deutschen oder Ersatz eines sterbenden Volkes durch Einwanderung?“ Nur in puncto Schwangerschaftsunterbrechung gibt es für ihn selbstverständlich keinerlei Fragen: „Abtreibung ist Mord!“
SPD fordert Distanzierung
Von der CDU fordert Seeck jetzt, sich endlich von ihrem einstigen Vorsitzenden zu trennen – inklusive Rausschmiss aus der Ratsfraktion: „Ein Politiker, der sich so äußert wie Lennartz in Leipzig, hat im Stadtrat nichts zu suchen“, ist er überzeugt. Es sei „unappetitlich, mit einem solchen Mann an einem Ratstisch zu sitzen“. Für den Sozialdemokraten steht fest: „Demagogen wie Hohmann und Lennartz müssen dorthin verwiesen werden, wo sie herkommen: ins politische Abseits.“
Das jedoch sehen die Euskirchener Christdemokraten anders. Zwar distanzierte sich CDU-Kreisparteichef Clemens Pick pflichtschuldig von den Äußerungen von Lennartz, die er als „Käse“ und „eine Einzelmeinung, nicht aber die Meinung des Kreisverbandes“ bezeichnete. Aber jetzt Sanktionen für seinen Parteifreund wegen der, so Pick, „peinlichen Veranstaltung“ schloss er aus. Nun will die SPD den „Fall Lennartz“ auf der kommenden Stadtratssitzung am 18. Dezember thematisieren. Dass Lennartz von sich aus Konsequenzen zieht, hält Wolfgang Seeck für ausgeschlossen: „Das ist ein sturer harter Brocken.“