Euro in der Krise: Die Flucht der Anleger
Die Beinahepleite von Griechenland hat den Euro in Mitleidenschaft gezogen. Einige Analysten fürchten, er könnte bald nur noch einen Dollar wert sein.
BERLIN taz | Der Euro fällt und fällt. Am Montagnachmittag lag er bei nur noch 1,236 US-Dollar. Im Dezember 2009 hatte der Euro noch 1,51 Dollar gekostet.
Zudem verliert der Euro nicht nur gegenüber dem Dollar - er fällt auch gegenüber allen anderen Leitwährungen, sei es der Yen, das Pfund oder der Franken.
Offenbar trauen viele Anleger dem EU-Rettungspaket nicht: Am vorletzten Wochenende hatten die Euroländer und der Internationale Währungsfonds (IWF) beschlossen, Kredite in Höhe von bis zu 750 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Dennoch hält sich die Sorge, dass einige Euroländer wie Spanien oder Griechenland in den Staatsbankrott treiben.
Aber wie weit wird der Euro fallen? Manche Analysten glauben, dass er bald nur noch einen Dollar wert sein könnte. "Eine Parität ist denkbar", sagt auch Ulrich Leuchtmann, der bei der Commerzbank die Abteilung Devisen-Research leitet. Allerdings hält er dieses Szenario nicht für besonders wahrscheinlich. Leuchtmann tippt eher darauf, dass sich der Euro-Dollar-Kurs bei 1,20 einpendelt. "Die Chancen dafür sehen wir bei über 50 Prozent." Denn die Commerzbank glaubt, dass die europäische Rettungspakete wirken werden. Vermutlich jedenfalls. "Das ist das Szenario, dem wir die größte Wahrscheinlichkeit zuordnen."
Viele Anleger flüchten allerdings nicht nur aus dem Euro - sie misstrauen allen Währungen. Sie befürchten eine Inflation und kaufen lieber Gold, dessen Preis Rekordhöhen erklimmt. Am Montag kostete eine Unze zeitweise 1.234 Dollar.
Leuchtmann kann diese Inflationsangst nicht teilen. "Das ist nur eine kleine Minderheit, die extreme Ängste hat." Die Mehrheit der Anleger sei noch immer völlig gelassen, wie der Kurs für inflationsgeschützte Staatsanleihen zeige. "Die Märkte rechnen nur mit durchschnittlich 2 Prozent Inflation in den nächsten zehn Jahren."
Trotzdem würde Leuchtmann niemals davon abraten, in Gold zu investieren und "die Angst der anderen auszunutzen". Einzige Herausforderung: Man muss das Gold rechzeitig wieder verkaufen, bevor auch der Rest der Herde merkt, dass es sich nicht lohnt, Goldvorräte anzuhäufen.
Zur Gelassenheit der Profianleger trägt auch bei, dass es nicht das erste Mal ist, dass der Euro gegenüber dem Dollar schwächelt. So sackte die europäische Währung gleich nach ihrer Einführung sogar auf unter 90 US-Cent ab. Der jetzige Kurssturz könnte sich vor allem beim Öl bemerkbar machen, das in Dollar abgerechnet wird: Die Preise für Benzin und Heizöl dürften steigen, wenn der Euro weiter sinkt. Doch selbst dieser Effekt ist nicht mit einer Inflation zu verwechseln: "Das ist eine einmalige kleine Preissteigerung", sagt der Unctad-Chefökonom Heiner Flassbeck, der ansonsten eher eine Deflation kommen sieht, weil in vielen europäischen Ländern die Löhne gekürzt werden.
Auch Flassbeck glaubt nicht, dass der Euro bedroht ist. Schon weil die Spekulanten machtlos wären, sobald sich die US-Notenbank und die Europäische Zentralbank auf einen Kurskorridor einigten. "Da reicht eine Pressemitteilung mit nur einem Satz wie zum Beispiel: "Wir wollen nicht, dass der Euro unter 1,25 sinkt."
Flassbeck kann sich nicht vorstellen, dass die USA lange untätig zusehen, wie der Euro an Wert verliert - und damit die Exportchancen der Europäer steigen. Denn die USA verlangten ja auch vom Exportweltmeister China, endlich seine Währung aufzuwerten. "Solange die Europäer mehr exportieren dürfen, verlagern sie ihre Probleme in den Rest der Welt."
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