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■ ScheibengerichtEugene Chadbourne

Songs

Intakt Records CD 026

Im politischen Koordinatensystem der Musik gilt Country & Western als reaktionär, rassistisch, rechts, Free Jazz dagegen als radikal, anarchistisch, links. Der amerikanische Musiker Eugene Chadbourne verwirrt diese Weltsicht. Chadbourne ist eine Art musikalischer „Redneck“-Anarcho, der keinen Widerspruch zwischen diesen beiden Musikstilen sieht und sie deshalb unbefangen miteinander kombiniert. Country & Western ist für ihn wie Blues und Rock 'n' Roll Teil derselben plebejischen US- Musiktradition, die tief in der Alltagskultur der Land- bzw. Industriearbeiterschaft, der Hillbillies und Sharecropper wurzelt, also eine Volkskunstform, in der sich der Stolz und die Würde der „kleinen Leute“ ästhetisch artikulieren.

Ende der siebziger Jahre hatte Chadbourne als treibende Kraft der „Noise“-Revolution innerhalb der Avantgardeszene von Downtown Manhattan das Vokabular seines Saiteninstrumentariums (Dobro, Gitarre und Banjo) um unkonventionelle Spieltechniken und Geräuschdimensionen erweitert, die ihm jetzt helfen, sich den „wunderbaren Songs“ (Eugene Chadbourne) aus dem Hillbilly-, Folk-, Protestsong- und Bluegrass- Repertoire auf neue Weise zu nähern. Ob das Banjo-Fingerpicking in dissonantes Terrain ausbricht oder entlang einer Melodielinie so manche atonale Tretmine hochgeht, Chadbourne setzt diese Stilmittel so ein, daß die Songs an Konturen gewinnen und nicht ironisch entschärft werden. In Chadbournes Musik trifft sich Derek Bailey, der Urvater des Gitarren- Dekonstruktivismus, mit Deford Bailey, einem frühen Star der „Grand Ole Opry“ und erstem „black Hillbilly“, zu einer imaginären Session.

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