: Etiketten als Politikersatz
■ Die CDU will Zukunft, aber bitte ohne Kosten
Zwei Tage lang war die Welt in Ordnung, und die Zukunft strahlte der CDU in den hellsten Farben. Stark sind wir ohnehin, und mit Selbstbewußtsein statt Verzagtheit schaffen wir alles: Mehrheiten, Wohlstand, Arbeitsplätze, geistige Orientierung, Umweltschutz, Umbau der Gesellschaft sowie Erneuerung der Sozial- und Wirtschaftsstrukturen auf einmal, hieß die Botschaft, die beim Parteitag von Karlsruhe unablässig vom Podium dröhnte.
Modernität für das vielbeschworene 21. Jahrhundert hatte die Parteiführung den drei Tagen als Leitthema vorgegeben, und die 1.000 Delegierten marschierten unter den modernen Fanfaren willig mit, solange das Bekenntnis zur Vorgabe bequem war und das Aussprechen der tollen neuen Wörter nichts kostete.
Am dritten Tag war die futuristische Seligkeit vorbei, und sogar der stärkste aller starken CDU-Männer mochte seine konservativen Delegierten nicht mehr zur Bewegung zwingen. Beim Thema Mitgliederbefragung wollte Helmut Kohl nicht als Motor agieren, beim Thema Frauenquorum aber bewegte sich der alte Karren CDU nur ein wenig und blieb dann einfach stehen, als der Kanzler ihn mitziehen wollte.
Wo es um Ankündigungen für das 21. Jahrhundert ging, war die Regierungspartei in Karlsruhe hochmodern. Wo es darum ging, als Partei Modernität zu praktizieren, versagten sich die Delegierten dem Willen ihres Vorstands. Der hatte die Veränderungen der Parteistruktur schließlich nicht aus Jux und Dollerei vorgeschlagen, sondern aus Angst vor dem absehbaren Attraktionsverlust einer Organisation, die sich gegen Mitwirkung der Mitglieder sperrt und Frauen wenig Aufstiegschancen bietet.
Das Thema Zukunft aber wird die CDU besetzt halten, auch wenn sie in Karlsruhe nur Fragen aufgeworfen und keine Antworten gegeben hat. Ohne wirksame Gegenkräfte droht eine Entwicklung, bei der die Selbstinszenierung der CDU als Politik durchgeht.
Das ist nicht allein das Verdienst der Union oder Helmut Kohls. Wenn man den Vorwurf von Fraktionschef Wolfgang Schäuble an die Opposition seiner Bösartigkeit entkleidet, bleibt leider immer noch eine bittere Wahrheit: Das Verhalten der SPD und ihres Führungspersonals schadet der Demokratie. Wenn keine starke politische Kraft eine Alternative zur modernen Ettikettenpolitik der Regierungspartei CDU aufbaut, dann wird diese den Widerspruch zwischen Etikett und Inhalt erst im 21. Jahrhundert erklären müssen. Hans Monath
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