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Archiv-Artikel

Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Die Geschichte stammt aus alten Klassenkampfzeiten, und ihre Brisanz wird sich heute nicht mehr unmittelbar erschließen, wo auch vormalige Fitnesstrainer Kronprinzessinnen ehelichen können (wie jüngst in Stockholm zum Beispiel). 1888 jedoch, als der schwedische Dramatiker August Strindberg seine berühmte Tragödie „Fräulein Julie“ schrieb, waren die Klassenschranken noch ziemlich dicht. Strindberg verhandelt hier die gefährliche Leidenschaft der jungen Grafentochter Julie, die Jean, den Kammerdiener ihres Vaters, liebt. Fernab von Berlin, im märkischen Städtchen Neuhardenberg, hat nun der Regisseur Armin Holz das Schloss derer von Hardenberg als natürliche Kulisse für Strindbergs Drama ausgemacht, das er dort mit hochkarätigen Kräften wie Sylvester Groth (das ist der Mann, der bei Tarantinos „Inglourious Basterds“ Joseph Goebbels war), Sibylle Canonica und Libgart Schwarz in Szene setzt. Weshalb man sich das Wochenende dringend für eine Theaterlandpartie in die Märkische Schweiz freihalten sollte, um noch einmal in die Seelennöte des vergangenen und vorvergangenen Jahrhunderts einzutauchen. Und zuvor vielleicht in den nahe gelegenen Kietzer, Kloster- oder Schermützelsee.

Traum und Trauma sehr viel gegenwärtigerer Zeitgenossen erkundet „wound“, ein Tanzabend der griechischen Choreografin Toula Limnaios und ihrer Compagnie, die seit einigen Jahren in der Eberswalder Straße sehr erfolgreich eine eigene Spielstätte betreibt. In der Halle Tanzbühne Berlin sind nun ab Donnerstag noch einige Male die bereits im vergangenen Jahr herausgekommen Fragmente über den Schmerz und die menschliche Verwundbarkeit zu sehen, die die Kritiker vor allem mit der Limnaios-typischen Mischung aus Sinnlichkeit und Abstraktion, Musik, Farbe und Bewegung begeistert haben.

■ „Fräulein Julie“: Schloss Neuhardenberg, 14., 15., 19.–22. 8.

■ „Wound“, Halle Tanzbühne, ab 12. 8.