: „Es war überwältigend“
Die Berliner Schwimmerin Franziska van Almsick gewinnt bei den deutschen Kurzbahnmeisterschaften die 200 m Freistil – und wähnt sich auf einem guten Weg
BERLIN dpa ■ Franziska van Almsick hätte die ganze Welt umarmen können. So sah es jedenfalls aus. 1:57,47 Minuten haben sie aus einem 15 Monate dauernden Jammertal befreit.
Jubelnd stieß die 23 Jahre alte Weltrekordlerin und Werbemillionärin aus Berlin nach ihrem Triumph auf ihrer Lieblingsstrecke 200 m Freistil bei den deutschen Kurzbahnmeisterschaften im Rostocker Neptun-Bad die Arme aus dem Wasser.
Sie konnte lange nichts sagen. Nach einer Stunde hatte van Almsick ihre Gefühle wieder im Griff: „Es war überwältigend. Mir ist sehr viel Last vom Herzen gefallen.“ Sie war in die Schwimm-Welt zurückgekehrt. Es ist ihre Welt. Das Olympiadebakel von Sydney und der schmerzhafte Bandscheibenvorfall sind Vergangenheit.
Das olympische Trauma und dessen mediale Aufbereitung („Als Molch holt man kein Gold“) ist offenbar verarbeitet.
„Die Wahrheit ist, dass ich damals schon nach dem ersten Tag am liebsten wieder abgereist wäre“, sagte sie der Welt am Sonntag. „Ich habe eine Woche nur geheult und praktisch nichts mehr gegessen. Und jedes Mal, wenn ich auf den Startblock geklettert bin, wusste ich vorher, dass es wieder nichts wird.“
Danach habe sie mit dem Gdanken gespielt, „mich vom olympischen Feuer zu stürzen“.
Sie tat es nicht. Danach änderte sich ihre private Situation. Und heute sagt sie, für ihre Verhältnisse relativ entspannt: „Auch wenn es sich arrogant anhört: Ich brauche keine Medaille mehr.“
Sie sucht das „perfekte Rennen“, und glaubt sich wieder auf dem Weg dahin. Wie sie es geschafft hat? „Keine Ahnung.“ An nichts denken, den Kopf abschalten, kämpfen. DSV-Cheftrainer Ralf Beckmann nannte sie nach dieser „Demonstration des Willens“ ein Beispiel für andere.
Nicht so sehr der Titelgewinn war überraschend. Die Zeit war es. Ein Befreiungsschlag. Selbstzweifel hatten an ihr genagt, sie fast in die Knie gezwungen.
Immer nur Ex. Exmeisterin, Exstar, Exsiegerin. Sie hat es sich gezeigt. Mit Mut, Disziplin und hartem Training. Rostock sah eine durchtrainierte Franziska van Almsick. Kein Gramm zu viel, mit unbändigem Kampfgeist und voller Elan. „Das war ich mir schuldig“, sagt sie, „mir und all den Leuten, die an mich geglaubt haben.“ Sie hat sich selbst überrascht. „Diese Zeit hatte ich nicht erwartet.“ Und: „Ich wollte unterstreichen, dass mit mir über 200 m Freistil wieder zu rechnen ist.“ Hat sie – und am Sonntag kam noch Platz 2 über 100m Schmetterling dazu.
Auf die Kurzbahn-EM in zwei Wochen wird sie trotz Qualifikation freiwillig verzichten. Die kontinentalen Titelkämpfe auf der langen Bahn im kommenden Sommer in ihrer Heimatstadt Berlin sind Franziska van Almsick wichtiger. Sie sagt: „Es gibt noch viel zu tun.“
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