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Es war der Telecommander

■ Neu im Kino: „Benny's Video“, ein Film über den Tod

Benny's Welt ist elektronisch abgeriegelt. Das Fernsehen, Videofilme, und laute Rockmusik sind für den 13jährigen Bildersüchtigen viel realer als das lieblose Familienleben oder der Schulalltag. Wenn auf dem elterlichen Hof ein Schwein geschlachtet wird, ist dies für Benny erst dann interessant, wenn er seine Videoaufzeichnung davon ansieht und den Moment des Todes in Zeitlupe wiederholt. Der grundlegende Unterschied zwischen einem Bolzenschußgerät und der Fernbedienung geht Benny erst auf, wenn das Mädchen, dem er in den Bauch geschoßen hat, nicht aufhört jämmerlich zu schreien. Warum er es getan hat ? „Ich wollt mal sehen, wie es ist“.

Es fröstelt einem in diesem Film von Michael Haneke, der wie eine Versuchsanordnung abläuft und mit erbarmungsloser Konsequenz von dem erzählt, was er selber „die emotionale Vergletscherung in den hochindustrialisierten Ländern“ nennt. Er läßt dem Zuschauer keinen der sonst im Kino üblichen Auswege: er erklärt nichts, er dämonisiert nicht, er klammert jede Art von Emotionalität aus, und er beruhigt nicht. Es gibt nichts zu lachen und nichts zu weinen. „Wenn man den Zuschauern alle diese Rettungsanker wegnimmt, dann müssen sie sich irgendwie selber einbringen und die emotionalen Leerstellen auffüllen. Dann aber sind sie (...) schon in der Falle des Denkens drin.“ So beschreibt Haneke selber sein Konzept. Wenn dieser Film nicht so perfekt und präzise umgesetzt wäre, könnte man ihn kaum ertragen. Aber Haneke umschifft souverän alle Untiefen, ist weder spekulativ noch zynisch, er macht Kino für den Kopf.

PS. Eine Pointe noch am Rande: Von „Bennys Video“ gibt es, anders als üblich, auch für Kritiker und die kommunalen Bildstellen keine Videoversion. Wilfried Hippen

bis Di. je 20.30 Uhr, Kino 46

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